Wie der Darm mit dem Braunen Fett ‚spricht‘

19.11.2018 - Deutschland

Das seit langem bekannte Darmhormon Sekretin hat eine neu entdeckte, zusätzliche Funktion: Es aktiviert das Energie verbrauchende Braune Fettgewebe, was Sättigung auslöst. Wissenschaftler der Technischen Universität München (TUM) in Zusammenarbeit mit einem internationalen Team ist dieser wichtige Schritt gelungen.

„Wir identifizierten völlig überraschend Sekretin als entscheidenden Faktor“, berichtet Professor Martin Klingenspor vom 
Else Kröner-Fresenius-Zentrum für Ernährungsmedizin
. Sekretin ist ein seit langem bekanntes Darmhormon.

Bisher ging die Ernährungsmedizin davon aus, dass dieses Peptid als Botenstoff im Wesentlichen gastrointestinale Funktionen erfüllt. Wie etwa die Sekretion von Wasser und Bicarbonat aus der Bauchspeicheldrüse anzuregen, sobald der angesäuerte Speisebrei aus dem Magen in den Dünndarm abgegeben wird. Zusätzlich soll Sekretin über die Blutbahn als Botenstoff im Gehirn das Sättigungsgefühl fördern. Soweit der Kenntnisstand bis vor Kurzem.

Sekretin feuert Energieverbrauch an

Die neue Studie deckte mit molekularbiologischen Untersuchungen auf (Transkriptom-Sequenzierung), dass das Gen für den Sekretin Rezeptor auch im Braunen Fettgewebe exprimiert wird. „Stimulierten wir diesen Rezeptor in den Braunen Fettzellen mit Sekretin, konnten wir eine unmittelbare Aktivierung der Zitterfreien Thermogenese beobachten“, erklärt Prof Klingenspor.

Kommunikation zwischen Braunem Fett und Gehirn

Zitterfreie Thermogenese ist der für Braunes Fett typische Mechanismus der Wärmebildung, der jedoch nicht nur Energie verbraucht. Die Untersuchungen legen offen, dass Zitterfreie Thermogenese auch die Voraussetzung dafür ist, dass das Sättigungsgefühl im Gehirn einsetzt.

Dabei gibt es drei mögliche Kommunikationswege vom Braunen Fett zum Gehirn:

1. Ein Anstieg der Temperatur im Gehirn,
2. Nervenverbindungen vom Braunen Fett zum Gehirn, oder
3. spezielle Botenstoffe des Braunen Fetts, sogenannte BATokine.

Professor Klingenspor vom EKFZ betrachtet die Wärmebildung selbst als die momentan plausibelste Möglichkeit: „Die Thermogenese im Braunen Fett führt zur Erwärmung des Blutes und einem leichten Temperaturanstieg im Gehirn; dies aktiviert Neurone, die Sättigung signalisieren.“

Braunes Fett übernimmt Schlüsselrolle bei der Sättigung

Die bisher geltende Lehrmeinung, dass Sekretin direkt im Gehirn auf bestimmte Nervenzellen wirkt, damit zu Sättigung führt und das Hungergefühl dämpft, wird durch diese Erkenntnisse revidiert. „Braunes Fettgewebe ist sozusagen wie eine Relaisstation dazwischengeschaltet“, fasst Prof. Klingenspor das Ergebnis zusammen.

Die neu entdeckte Kommunikationskette zwischen Darm und Hirn beginnt mit der Sekretinfreisetzung beim Essen, der daraus folgenden Aktivierung der Thermogenese im Braunen Fett und einer Erwärmung im Gehirn, die das Sättigungsgefühl steigert. So verbraucht die nahrungsinduzierte Thermogenese im Braunen Fett Energie und macht satt – beides wichtige Faktoren für die Therapie und Prävention der fast schon weltweiten Epidemie Adipositas.

Sekretinproduktion natürlich anregen und schneller satt werden

Wäre Sekretin in diesem Zusammenhang die richtige „Medizin“? „Nein“, stellt Klingenspor klar. Denn eine chronische Stimulierung der Bauchspeicheldrüse wäre ungünstig. Er sieht allerdings eine Möglichkeit, durch bestimmte Lebensmittel die Sekretin Produktion natürlich anzuregen, „die richtige Vorspeise könnte schneller satt machen und damit die aufgenommene Kalorienmenge reduzieren.“ Welche Nährstoffe hier in Frage kommen würden, sei Gegenstand weiterer Studien.

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