Elektronische Haut zeigt Weg nach Norden
Forscher verleihen Menschen mit Sensoren Magnetsinn
HZDR / G.S. Cañón Bermúdez
Eine einfache Handbewegung nach links: Und schon setzt sich der virtuelle Panda auf dem Monitor zum unteren linken Rand in Bewegung. Als die Hand nach rechts schwenkt, vollführt das schwarz-weiße Tier eine Drehung um 180 Grad. Die Demonstration erinnert ein bisschen an eine berühmte Szene aus dem Film Minority Report, in der Hauptdarsteller Tom Cruise nur mit Hilfe von Gesten einen Computer steuert. Was vor 16 Jahren noch wie Science-Fiction aussah, konnten die HZDR-Forscher um Dr. Denys Makarov in die Realität umsetzen. Um den Weg des Pandas zu bestimmen, brauchen sie aber keine klobigen Handschuhe, sperrigen Brillen oder aufwendige Kamerasysteme. Ihnen genügt eine nur wenige Tausendstel Millimeter dünne Polymerfolie an einem Finger – und das Magnetfeld der Erde.
„Auf der Folie haben wir elektronische Magnetsensoren aufgebracht, die kleinste geomagnetische Felder detektieren können“, erzählt Erstautor der Studie Gilbert Santiago Cañón Bermúdez. „Wir reden von 40 bis 60 Mikrotesla – das ist mehr als 1000-mal schwächer als ein üblicher Magnet am Kühlschrank und entspricht in etwa dem Erdmagnetfeld.“ Dadurch konnten die Wissenschaftler zum ersten Mal zeigen, dass das natürliche geomagnetische Feld ausreicht, um virtuelle Objekte berührungslos zu steuern. Bei dem Vorgängermodell mussten die Physiker noch auf einen externen Permanentmagneten zurückgreifen: „Indem sie die Position eines Körpers, beispielsweise einer Hand, in Verbindung zum Erdmagnetfeld setzen, können unsere Sensoren die Bewegungen aufzeichnen, was es uns erlaubt, sie zu digitalisieren und in die virtuelle Welt zu übertragen.“
Wie ein normaler Kompass
Das Prinzip hinter den Sensoren, die aus hauchdünnen Streifen des Metalls Permalloy bestehen, beruht auf dem sogenannten anisotropen magnetoresistiven Effekt, wie Cañón Bermúdez erläutert: „Das heißt, dass sich, abhängig von der Orientierung zu einem äußeren Magnetfeld, der elektrische Widerstand dieser Schichten ändert. Um sie speziell auf das Erdmagnetfeld auszurichten, haben wir diese ferromagnetischen Streifen in einem Winkel von 45 Grad mit einem leitfähigen Material, in unserem Fall Goldplättchen, belegt. Der Strom kann deshalb nur in diesem Winkel fließen, wodurch die Sensoren am empfindlichsten in der Nähe besonders kleiner Magnetfelder sind. Die Spannung ist am stärksten, wenn die Sensoren auf Norden, und am schwächsten, wenn sie auf Süden ausgerichtet sind.“ Bei Versuchen in der freien Natur konnten die Forscher belegen, dass ihre Konfiguration funktioniert.
Den Sensor am Zeigefinger aufgeklebt, orientierte sich die Testperson von Norden über Westen nach Süden und zurück – was dazu führte, dass die elektrische Spannung dementsprechend fiel beziehungsweise wieder anstieg. Die so angezeigten Himmelsrichtungen stimmten mit einem gewöhnlichen Kompass, der als Vergleich diente, überein. „Dies zeigt, dass wir erstmals einen tragbaren Sensor entwickeln konnten, der die Funktionsweise eines normalen Kompasses reproduzieren und den Menschen einen künstlichen Magnetsinn verleihen kann“, schätzt Bermúdez ein. Das ist aber noch nicht alles. Denn den Physikern gelang es darüber hinaus, das Prinzip in die virtuelle Realität zu übertragen. Hier konnten sie bei Panda3D, einer Software für die Produktion von Computerspielen, einen digitalen Panda allein über ihre Magnetsensoren steuern.
Bei den Versuchen entsprach der Norden einer Bewegung nach links, der Süden wiederum nach rechts. Befand sich nun die Hand auf der linken Seite, also im magnetischen Norden, setzte sich der Panda in der virtuellen Welt dorthin in Bewegung. Schwenkte sie aber in die entgegengesetzte Richtung, machte auch das Tier eine Kehrtwende. „Die Detektion des Magnetfelds aus der realen Welt ließ sich direkt in den virtuellen Bereich übersetzen“, fasst Denys Makarov zusammen. Da die Sensoren starke Verbiegungen und Verkrümmungen aushalten, ohne Funktionalität einzubüßen, sehen die Forscher großes Potential für ihre Entwicklung – nicht nur als Zugang zur virtuellen Realität. „Damit ließen sich zum Beispiel genauer die Effekte eines Magnetsinnes auf Menschen untersuchen, ohne auf umständliche experimentelle Installationen, die oft die Resultate verzerren, zurückgreifen zu müssen“, gibt Gilbert Santiago Cañón Bermúdez einen Ausblick.