Technologietransfer-Preis 2018 geht an Ausgründung des HZI

Auszeichnung für die Entwicklung personalisierter Zellsysteme

05.11.2018 - Deutschland

Wissenschaftler der InSCREENeX GmbH und des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) haben gemeinsam eine Technologie entwickelt, mit der sie Zellen aus jedem Gewebe in der Kulturschale vermehren können, ohne dass die Zellen ihre gewebetypischen Eigenschaften verlieren. So lassen sich zum Beispiel neu entdeckte Wirkstoffe bereits in der Zellkultur gezielt testen und ihre Wirkung organspezifisch untersuchen. Mittlerweile haben die Forscher ihr Verfahren so weit verfeinert, dass bereits geringste Zellmengen als Ausgangsmaterial genügen. Diese Technologie hat die Industrie- und Handelskammer Braunschweig mit dem Technologietransfer-Preis 2018 ausgezeichnet. Der Preis ist mit 10.000 Euro dotiert und geht an Dr. Tobias May, Dr. Roland Schucht und Dr. Tom Wahlicht von InSCREENeX sowie an Prof. Dagmar Wirth, die am HZI die Arbeitsgruppe „Modellsysteme für Infektion und Immunität“ leitet.

IHK/Susanne Hübner

Die Preisträger (v.l.) Dr. Tobias May, Prof. Dagmar Wirth, Dr. Tom Wahlicht und Dr. Roland Schucht.

HZI/Tobias May

Glattmuskelzellen richten sich in der Kulturschale alle gleich aus – ähnlich wie im Gewebe.

IHK/Susanne Hübner
HZI/Tobias May

Bevor ein neu entdeckter Wirkstoff, zum Beispiel gegen einen bakteriellen oder viralen Krankheitserreger, als Medikament zugelassen werden kann, muss er sich in verschiedenen Prüfstudien beweisen: Die ersten präklinischen Studien erfolgen in der Zellkultur und an Tieren, dann schließen sich mehrere klinische Studienphasen mit Menschen an. Von der Entdeckung des Wirkstoffs bis hin zum Medikament kann dies zehn bis 15 Jahre dauern und zwischen 100 Millionen und mehr als einer Milliarde Euro verschlingen. Der weitaus größte Teil der Wirkstoffkandidaten scheitert auf diesem Weg, weil etwa zu starke Nebenwirkungen auftreten oder keine ausreichende Wirkung im Menschen erzielt wird. Um bereits in den ersten Untersuchungen möglichst viele ungeeignete Kandidaten aussieben und die vielversprechenden gezielt weiterentwickeln zu können, benötigen Wissenschaftler und Pharmaunternehmen körpereigene – sogenannte primäre – Zellen. Diese stammen direkt aus dem Organ oder Gewebe, das untersucht werden soll. Allerdings verlieren Zellen während der konventionellen Kultivierung ihre gewebetypischen Eigenschaften, primäre Zellen stehen daher nur in sehr begrenzter Menge zur Verfügung.

Eine weitere Herausforderung in der Medikamentenentwicklung ist, dass die fertigen Arzneimittel häufig nur einem Teil der Patienten helfen. Um möglichst passgenaue Wirkstoffkandidaten entwickeln zu können, sollten die Testsysteme idealerweise sowohl die menschliche Diversität als auch die Krankheit berücksichtigen. „Unser Ziel war eine Methode, mit der sich kostengünstig jede beliebige Zelle – von jedem Patienten und im Zusammenhang mit jeder Krankheit – dauerhaft kultivieren und vermehren lässt, ohne dass sie ihre charakteristischen Eigenschaften einbüßt. Mit der CI-SCREEN-Technologie ist uns das nun gelungen“, sagt Tobias May, Geschäftsführer von InSCREENeX, der die neue Technologie zusammen mit der Arbeitsgruppe von Dagmar Wirth am HZI entwickelt hat. CI-SCREEN basiert auf einem Set aus 33 verschiedenen Genen, die nach dem Zufallsprinzip in die isolierten Körperzellen eingebracht werden. Dabei erhält jede Zelle eine andere Genkombination. Aus den 33 Genen lässt sich für jeden Zelltyp eine optimale Kombination ableiten, die die Zellen zum dauerhaften Wachstum anregt und gleichzeitig ihre gewebespezifischen Eigenschaften erhält. „Mit unserer Technologie lassen sich nun aus jedem Gewebe Zellsysteme für das Screening und die Testung von Wirkstoffen generieren. Das Besondere dabei ist, dass auch personalisierte Zellsysteme möglich sind, da sich geringste Zellmengen jedes Spenders verwenden lassen“, sagt May. „So stellen wir der personalisierten Medizin ein völlig neuartiges Werkzeug zur Verfügung.“

Die Industrie- und Handelskammer Braunschweig hat die Entwicklung der CI-SCREEN-Technologie nun mit dem Technologietransfer-Preis 2018 geehrt. Die Auszeichnung wurde bereits zum 34. Mal verliehen und honoriert erfolgreiche Projekte des Transfers von Wissen aus Forschungseinrichtungen in die Wirtschaft. Damit möchte die Industrie- und Handelskammer die Zusammenarbeit von Forschung und Industrie fördern.

„Wir freuen uns außerordentlich, dass unsere langjährige, fruchtbare und sehr erfolgreiche Kollaboration mit Dagmar Wirth vom HZI mit diesem prestigeträchtigen Preis ausgezeichnet wurde“, sagt Tobias May.

„Die Kooperation mit InSCREENeX ermöglicht uns, das limitierte Patientenmaterial zu vermehren und damit aussagekräftige Untersuchungssysteme aufzubauen, die wir für unsere Forschungsaktivitäten einsetzen können“, sagt Dagmar Wirth. Für die CI-SCREEN-Technologie haben die Braunschweiger Wissenschaftler 2013 bereits den Otto von Guericke-Preis erhalten.

Weitere News aus dem Ressort Wirtschaft & Finanzen

Meistgelesene News

Weitere News von unseren anderen Portalen

So nah, da werden
selbst Moleküle rot...

Da tut sich was in der Life-Science-Branche …

So sieht echter Pioniergeist aus: Jede Menge innovative Start-ups bringen frische Ideen, Herzblut und Unternehmergeist auf, um die Welt von morgen zum Positiven zu verändern. Tauchen Sie ein in die Welt dieser Jungunternehmen und nutzen Sie die Möglichkeit zur Kontaktaufnahme mit den Gründern.

Verwandte Inhalte finden Sie in den Themenwelten

Themenwelt Zellkulturtechnik

Die Zellkulturtechnik ist ein zentraler Pfeiler in der biotechnologischen und pharmazeutischen Forschung und Entwicklung. Sie ermöglicht das Wachstum und die Pflege von Zellen unter kontrollierten Laborbedingungen und bietet so ein Fenster in die molekularen und zellulären Prozesse des Lebens.

3 White Paper
Themenwelt anzeigen
Themenwelt Zellkulturtechnik

Themenwelt Zellkulturtechnik

Die Zellkulturtechnik ist ein zentraler Pfeiler in der biotechnologischen und pharmazeutischen Forschung und Entwicklung. Sie ermöglicht das Wachstum und die Pflege von Zellen unter kontrollierten Laborbedingungen und bietet so ein Fenster in die molekularen und zellulären Prozesse des Lebens.

3 White Paper