Keine Chance für Keime an Implantaten

02.11.2018 - Deutschland

Die Hüfte schmerzt bei jedem Schritt – ein neues künstliches Hüftgelenk ist unausweichlich. Bei einer solchen Operation besteht jedoch das Risiko, dass Bakterien in die Wunde gelangen können und starke Infektionen hervorrufen. Diese bekämpft man mit Antibiotika. Das Problem dabei: Zum einen sind manche Keime gegen bestimmte Antibiotika resistent, zum anderen kann das Antibiotikum per Tabletten oder Infusion oftmals nicht stark genug dosiert werden, um am Implantat alle Erreger abzutöten. Das Implantat lockert sich, es muss daher ein neues eingesetzt werden. Doch wie kann man vermeiden, dass hier erneut eine Infektion auftritt?

© Fraunhofer IFAM

Antibiotikabeschichtung lysiert Bakterium (E.coli).

Wirksamkeit um ein Vielfaches erhöhen

Forscher der Fraunhofer-Institute für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung IFAM, für Molekularbiologie und Angewandte Oekologie IME, für Zelltherapie und Immunologie IZI und für Toxikologie und Experimentelle Medizin ITEM haben im Projekt »Synergy-Boost« eine Therapie entwickelt, um erneute Infektionen zu vermeiden. »Das benötigte Antibiotikum kann direkt auf das zweite Implantat aufgebracht werden – es ist somit gleich dort, wo es benötigt wird«, sagt Kai Borcherding, Wissenschaftler am Fraunhofer IFAM. »Zudem haben wir die synergistische Wirkung von Antibiotika und Silberionen erforscht und können die Wirksamkeit damit deutlich steigern.« Das heißt: Sowohl das Antibiotikum als auch die Silberionen töten die Keime ab, allerdings ist die Wirkung erheblich intensiver als die Summe ihrer Einzelwirkungen – sie verstärken sich also gegenseitig.

Zwar ist bereits seit längerem bekannt, dass Silberionen die Wirkung von Antibiotika beträchtlich steigern können, doch gab es dazu nur vereinzelte Experimente. Denn das Verhältnis von Silberionen und Antibiotika hängt nicht nur vom verwendeten Medikament, sondern auch von dem Keim ab, der abgetötet werden soll. Die Forscherinnen und Forscher am Fraunhofer IME haben daher zunächst großangelegte Sceenings durchgeführt: Sie untersuchten 20 verschiedene Antibiotika in unterschiedlichen Verhältnissen mit Silberionen an vier Leitkeimen – insgesamt über 9.000 Proben – und identifizierten somit die wirksamsten Kombinationen.

Antibiotikum erregerspezifisch auswählen und lokal aufbringen

Wenn Patienten an einer Infektion leiden und ein neues Hüftgelenk oder auch ein neues Zahnimplantat benötigen, erstellt der Arzt zunächst ein Antibiogramm: Er entnimmt geeignetes Probenmaterial, kultiviert aus diesem die Keime und analysiert, welches Antibiotikum infrage kommt. Dies ist ein bereits standardisiertes Verfahren. Dann appliziert der Arzt das entsprechende Antibiotikum direkt auf das Implantat. »Die Speichermöglichkeiten für die Antibiotika haben wir am Fraunhofer IFAM bereits untersucht. Dazu haben wir verschiedene Beschichtungsarten entwickelt«, erklärt Borcherding. Das Ergebnis: Die Forscher strukturieren die Oberfläche so, dass ein Antibiotikum aufgenommen werden kann. Die silberhaltige Beschichtung bringen sie im Vakuum auf der Oberfläche des Implantats auf. Die Schichtentwicklung ist bereits abgeschlossen, nun folgt der Wirksamkeitsnachweis am Fraunhofer IZI und am Fraunhofer ITEM. Zudem erstellen die Forscher am Fraunhofer ITEM die Dokumentation, die für die Zulassung eines Medizinproduktes erforderlich ist.

Eine weitere Frage, der sich die Wissenschaftler im Projekt »Synergy-Boost« widmen: Welche natürlichen Stoffe aus Pflanzen oder Bäumen eignen sich für die Synthese neuer Antibiotika? Die ersten Forschungsergebnisse des Fraunhofer IZI sind vielversprechend. Bis ein so erzeugtes Antibiotikum allerdings in die klinische Phase kommt, werden noch einige Jahre vergehen.

Auf den Messen MEDICA und COMPAMED vom 12. bis 15. November 2018 in Düsseldorf stellen die Forscher diese Implantatoberflächen aus.

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