Weniger vernetzte Gehirne sind intelligenter
Die Ergebnisse klingen auf den ersten Blick paradox, vereinen aber zuvor widersprüchliche Befunde
© RUB, Kramer
Das Team der Bochumer Arbeitseinheit Biopsychologie berichtet über die Ergebnisse gemeinsam mit Kollegen der University of New Mexico in Albuquerque, der Humboldt-Universität Berlin und des Lovelace Biomedical and Environmental Research Institute in Albuquerque in der Zeitschrift „Nature Communications“ vom 15. Mai 2018.
Intelligenz hängt mit Anzahl der Zellfortsätze zusammen
Die Wissenschaftler untersuchten die Gehirne von 259 Männern und Frauen mittels Neurite Orientation Dispersion and Density Imaging. Mit der Methode konnten sie in der Großhirnrinde die Menge an Zellfortsätzen, sogenannten Dendriten, messen, mit denen eine Nervenzelle Kontakt zu anderen Nervenzellen aufnimmt. Alle Probanden absolvierten außerdem einen Intelligenztest. Dann setzten die Forscher die Daten in Beziehung zueinander und fanden heraus: Je intelligenter ein Mensch ist, desto weniger Dendriten besitzt er in der Großhirnrinde.
Anhand eines unabhängigen öffentlich zugänglichen Datensatzes, der im Human-Connectome-Projekt erhoben worden war, bestätigte das Team das Ergebnis. Der Zusammenhang zwischen Dendritenmenge und Intelligenz trat auch in dieser Stichprobe auf, die rund 500 Leute umfasste.
Zuvor widersprüchliche Ergebnisse lassen sich erklären
Mit den neuen Erkenntnissen lassen sich zuvor widersprüchliche Ergebnisse aus der Intelligenzforschung erklären. Diese hatten zum einen ergeben, dass intelligentere Menschen tendenziell größere Gehirne besitzen. „Man ging davon aus, dass größere Gehirne mehr Nervenzellen enthalten und somit eine höhere Rechenleistung erzielen könnten“, sagt Erhan Genç. Andere Studien ergaben allerdings, dass intelligentere Menschen, trotz ihrer vergleichsweise hohen Anzahl an Nervenzellen, weniger neuronale Aktivität beim Bearbeiten eines Intelligenztests zeigen als die Gehirne von weniger intelligenten Menschen.
„Intelligente Gehirne zeichnen sich durch eine schlanke, aber effiziente Vernetzung ihrer Neurone aus“, resümiert Erhan Genç. „Dadurch gelingt es, eine hohe Denkleistung bei möglichst geringer neuronaler Aktivität zu erzielen.“
Originalveröffentlichung
Erhan Genç, Christoph Fraenz, Caroline Schlüter, Patrick Friedrich, Rüdiger Hossiep, Manuel C. Voelkle, Josef M. Ling, Onur Güntürkün, Rex E. Jung; "Diffusion markers of dendritic density and arborization in gray matter predict differences in intelligence"; Nature Communications; 2018
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