Ein winziger Sensor mit magnetischen Kraftfeldern könnte bald die medizinische Diagnostik revolutionieren
Schwere und häufig unheilbare Erkrankungen müssen möglichst früh erkannt werden, um den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen und das Leben des Patienten verlängern zu können. Bei Alzheimer, der mit etwa 600.000 Krankheitsfällen in Deutschland häufigsten Demenzerkrankung, wird der Nachweis heute mit einer relativ aufwändigen Untersuchung der Rückenmarksflüssigkeit geführt. Ein neues Sensorkonzept, an dem am Institut für Physik gearbeitet wird, könnte langfristig die Chance eröffnen, diese Diagnose mit der Analyse von normalem Blut durchzuführen, sagt Professor Dr. Arno Ehresmann, Arbeitsgruppenleiter am Institut für Physik und Mitglied des Kasseler Nanowissenschaftenzentrums CINSaT.
Damit Sensoren, die Alzheimer-Krankheit aus einer geringen Menge von Körperflüssigkeit nachweisen können, müssen diese viel genauer als bisher arbeiten. Das Mengenverhältnis bestimmter Proteine im Organismus des Patienten "verrät" die Erkrankung, jedoch enthält Blut nur eine geringe freie Mengen dieser Proteine. Es ist daher mehr oder minder zufällig, ob und wie viele dieser Proteine die Sensoroberfläche erreichen.
An diesem Punkt setzt die Forschung der Kasseler Wissenschaftler an. Sie wollen zunächst die Biomoleküle aus der zu untersuchenden Flüssigkeit mit Hilfe von magnetisierten Nanoteilchen, deren Oberfläche mit Fängermolekülen bedeckt ist, fangen. Dazu werden diese über wandernde magnetische Kraftfelder durch die Flüssigkeit gezogen und sorgen damit für eine Verwirbelung der Moleküle. Das wirkt gewissermaßen wie ein "Quirl", veranschaulicht Professor Ehresmann den Prozess.
Die Nanoteilchen mit den eingefangenen Biomolekülen werden dann mit den gleichen wandernden Kraftfeldern zu einem Sensor gezogen, der die magnetischen Teilchen erkennt. Die wandernden Kraftfelder werden in horizontal gestapelten nanometerdünnen Schichten aus ebenfalls teilweise magnetisiertem Material erzeugt. Eine schwierige Hürde bei dieser Architektur haben die Kasseler Wissenschaftler bereits überwunden: Die Physikerin Dr. Tanja Weis, bis vor kurzem Mitarbeiterin des Forscherteams, hat herausgefunden, wie eine Verklumpung der Nanoteilchen, die sich normalerweise in der Untersuchungsflüssigkeit gegenseitig anziehen, verhindert werden kann. Dr. Weis hat für diese Entdeckung kürzlich den mit 2.000 Euro dotierten Dissertationspreis des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) erhalten. Neben einem Einsatz in der Diagnostik kann sich Professor Ehresmann auch die Verwendung des neuartigen Partikeltransportkonzepts in der chemischen Industrie vorstellen. Es könne dort beispielsweise Kosten sparen, weil bei teuren Analysen Material gespart wird.
Bei ihrer Forschung arbeiten die Kasseler Wissenschaftler eng mit ihren Kollegen von der Universität Bielefeld und innerhalb der Universität Kassel mit Kollegen aus der Biochemie zusammen. Professor Dr. Ehresmann ist optimistisch, dass er auch weitere Gelder für das Forschungsprojekt erhält. Man habe sich um eine Förderung aus der Exzellenz-Initiative "Loewe" des Landes Hessen beworben und die erste Bewerbungsrunde erfolgreich überstanden. Kommt das Institut zum Zuge, so wären die nächsten fünf Forschungsjahre mit schätzungsweise 350.000 Euro an Personalmitteln finanziell gesichert. Die bisherige Forschung wurde ausschließlich aus universitätseigenen Mitteln finanziert.
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Themenwelt Diagnostik
Die Diagnostik ist das Herzstück der modernen Medizin und bildet in der Biotech- und Pharmabranche eine entscheidende Schnittstelle zwischen Forschung und Patientenversorgung. Sie ermöglicht nicht nur die frühzeitige Erkennung und Überwachung von Krankheiten, sondern spielt auch eine zentrale Rolle bei der individualisierten Medizin, indem sie gezielte Therapien basierend auf der genetischen und molekularen Signatur eines Individuums ermöglicht.
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