Neue Details über die Funktion eines rätselhaften Proteins
Stressbedingte Veränderung in der Erbinformation
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Später wurde jedoch herausgefunden, dass Dnmt2 nicht Zytosine in DNA, sondern in Transfer RNAs (tRNAs; Moleküle, die unabdingbar für die Proteinsynthese sind) mit Methylgruppen markiert, und dass diese Zytosin-Methylierung einen Einfluss auf die Stabilität von tRNAs und wahrscheinlich auch auf die Proteinsynthese hat.
Dnmt2-ähnliche Proteine kommen in fast jedem Organismus vor, was schon früh zu der Schlussfolgerung geführt hat, dass diese Enzyme eine wichtige Funktion ausüben. Jedoch können Lebewesen, in denen Dnmt2 durch z.B. Mutationen inaktiviert wurde, auch ohne diese Methyltransferase überleben. Diese Beobachtungen haben Biologen schon seit vielen Jahren mit der Frage konfrontiert, für welchen Zweck Dnmt2-ähnliche Enzyme im Laufe der Evolution im Repertoire der Erbinformationen, vom Bakterium bis zum Menschen, erhalten wurden.
Nun konnte eine internationale Studie unter Leitung der Abteilung für Zell- und Entwicklungsbiologie am Zentrum für Anatomie und Zellbiologie der MedUni Wien zeigen, dass die stabilisierende Funktion von Dnmt2 an tRNAs notwendig ist, um die Integrität der Erbinformation unter Stressbedingungen zu gewährleisten. Die Forscher benutzten für ihre Arbeiten den Modellorganismus Drosophila melanogaster (die Fruchtfliege) und beschreiben in der Fachzeitschrift "Cell Reports", dass ohne funktionelles Dnmt2 bestimmte Regionen der Erbinformation verloren gehen bzw. sich durch Rekombination verändern können. Den entscheidenden Hinweis dafür, dass diese Probleme primär durch den Verlust von tRNA- und nicht von DNA-Funktionen zu erklären sind, ergaben Experimente mit einer weiteren evolutionär hochkonservierten RNA Methyltransferase (NSun2).
„Die Entschlüsselung der molekularen Funktionen dieser RNA-modifizierenden Enzyme ist ein wichtiger Schritt dabei, die Rolle des ‚Epitranskriptoms‘ in der Etablierung von bestimmten Genexpressionsmustern besser zu verstehen“, erklärt Studienleiter Matthias Schäfer von der Abteilung für Zell- und Entwicklungsbiologie am Zentrum für Anatomie und Zellbiologie der MedUni Wien, und „die Modulation der Expression von bestimmten Genen mittels epigenetischer Manipulation bzw. durch Einflussnahme auf den Metabolismus von RNAs durch "epitranskriptomische" Mechanismen hat ein enormes medizinisches Potenzial."
So könnten in Zukunft z.B. beschädigte Erbinformationen spezifisch durch epigenetische Medikamente deaktiviert werden, ohne dass man dafür in die Erbinformation-enthaltende DNA-Sequenz eingreifen muss. „Schon heute werden RNA-basierende Therapeutika in klinischen Studien getestet, und es wird sich bald herausstellen, ob diese Medikamente durch ‚epitranskriptomische‘ Veränderungen z.B. stabilisiert oder einfach nur besser in die gewünschten Zellen oder Gewebe transportiert und damit effektiver gemacht werden können", fügt Schäfer hinzu. Während die Epigenetik schon jetzt ein Zukunftsfeld der Medizin ist, das vielfältige Möglichkeiten für personalisierte Therapien verspricht, ist das Potenzial der "Epitranscriptomics" kontinuierlich durch weitere Grundlagenforschung zu definieren, um besagte Therapieansätze mit "epitranskriptomischen" Werkzeugen erweitern zu können.