Nanoschalter in der Zelle: Neuer Mechanismus zur Regulation der Proteinsynthese entdeckt
Stefan Jakobs
Ein deutsch-polnisches Forschungsteam um Prof. Dr. Bettina Warscheid von der Universität Freiburg und Prof. Dr. Agnieszka Chacinska vom Centre of New Technologies in Warschau/Polen hat einen neuen Mechanismus entdeckt, mit dem Mitochondrien, deren Redox-Gleichgewicht geschädigt ist, die Neubildung von Proteinen im Zytoplasma regulieren können. Die Mitochondrien benutzen reaktive Sauerstoffspezies als Signal, um die Proteinsynthesemaschinerie zu verlangsamen.
Zunächst bestimmte Dr. Ida Suppanz aus Warscheids Arbeitsgruppe mittels quantitativer Massenspektrometrie den Redoxzustand von Thiolen in Tausenden von Proteinen der Bäckerhefe Saccharomyces cerevisiae. Dabei entdeckte sie in Komponenten der Ribosomen, an denen die Bildung neuer Proteine stattfindet, bisher unbekannte redox-aktive Thiole.
Ulrike Topf aus Chacinskas Arbeitsgruppe beobachtete, dass ein erhöhter Level an reaktiven Sauerstoffspezies die Neubildung von Proteinen hemmt. Durch biochemische und zellbiologische Methoden zeigte sie, dass geschädigte Mitochondrien ihren Stoffwechselzustand mit Hilfe von reaktiven Sauerstoffspezies an die Proteinsynthesemaschinerie melden und diese dadurch bremsen können.
Es wird angenommen, dass die zeitweise Reduzierung der Proteinsyntheserate bei oxidativem Stress einen positiven Effekt auf das Überleben der Zellen hat, da es vermutlich hilft, das Gleichgewicht in der Zelle wiederherzustellen: Auf diese Weise wird verhindert, dass die Zelle Proteine synthetisiert, die von den geschädigten Mitochondrien nicht aufgenommen werden können, sich folglich im Zytoplasma anstauen und wieder abgebaut werden müssen. Wie die Zelle bei einem Proteinstau reagiert, hat das Team um Warscheid und Chacinska schon 2015 in der Fachzeitschrift „Nature“ dargelegt.
Des Weiteren konnten die Wissenschaftlerinnen zeigen, dass es diesen neu entdeckten Regulationsmechanismus nicht nur in Hefezellen, sondern auch in menschlichen Zellen gibt. Erkenntnisse darüber, wie dysfunktionale Mitochondrien mit anderen Komponenten der Zelle kommunizieren, können helfen, die Mechanismen alterungsbedingter und neurodegenerativer Erkrankungen zukünftig besser zu verstehen.
Originalveröffentlichung
Ulrike Topf*, Ida Suppanz*, Lukasz Samluk, Lidia Wrobel, Alexander Böser, Paulina Sakowska, Bettina Knapp, Martyna K. Pietrzyk, Agnieszka Chacinska# & Bettina Warscheid#; "Quantitative proteomics identifies redox switches for global translation modulation by mitochondrially produced reactive oxygen species"; Nature Communications; 2018 (*#Diese Autorinnen sind zu gleichen Teilen beteiligt.)