Virtueller Durchblick bei der Sterilgutversorgung
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Damit Patienten bestmöglich versorgt werden können, müssen Prozesse in Krankenhäusern Hand in Hand ablaufen. Von der Absprache der Pflegekräfte bis hin zu der Vorbereitung von Operationssälen passiert einiges hinter den Kulissen. Ebenso bei der Aufbereitung von Medizinprodukten, bei der die Sicherheit des Patienten an erster Stelle steht. Medizinische Instrumente müssen gewissenhaft gereinigt, auf ihre Funktionstüchtigkeit geprüft und erneut für den OP aufbereitet werden. Hier sind Sorgfalt und gewissenhaftes Einhalten von Prozessschritten ein unbedingtes Muss.
In der Sterilgutversorgung demontieren, reinigen, montieren und sterilisieren die Angestellten beispielsweise Operationsbestecke, Werkzeuge und Prothesen. Das klingt zunächst simpel. Allerdings werden diese Instrumente immer komplexer und stellen somit einen hohen Anspruch an das Personal in Bezug auf Sorgfalt und Wissen in der technischen Handhabung der Instrumente. Die hohen Anforderungen und die starke Auslastung können zu Fehlern führen. Zum Beispiel können Operationsbestecke falsch oder unvollständig zusammengestellt oder Instrumente unzureichend gereinigt werden. Treten diese Fehler auf, bevor das Sterilgut mit dem Patienten in Berührung kommt, verursachen sie zusätzliche Kosten und Rückläufe im Prozess. Im schlimmsten Fall könnten Patienten mit kontaminierten Instrumenten in Berührung kommen.
Unterstützten, schulen, nachverfolgen und damit die Prozess-Sicherheit erhöhen und Fehler vermeiden
In Zukunft sollen die Angestellten der Sterilgutversorgungsabteilungen Verstärkung bekommen. Das Leitmarkt.NRW Projekt »Smart Glasses in der Sterilgutversorgung« testet die Einsatztauglichkeit von Datenbrillen bei der Sterilgutaufbereitung. Diese Art Brillen können Bilder, Videos und Texte direkt ins Sichtfeld des Anwenders projizieren. Bei manchen Lösungen wirkt es für den Betrachter so, als seien die Informationen im realen Raum eingebettet, weshalb dieses Darstellungsprinzip »erweiterte Realität« – Augmented Reality – genannt wird.
Im Zusammenspiel mit einem intelligenten Informations- und Planungssystem sollen die Smart Glasses das Personal bei der Arbeit unterstützen und Fehler präventiv verhindern, indem Warnungen und Vorgehenshinweise durch eine Anzeige auf der Brille ausgegeben werden. Außerdem verbessert die Vernetzung der verfügbaren Informationen über benötigte Instrumente und deren Einsatz oder aktuellen Aufenthaltsort die Planung von Aufbereitungen und stellt die technische Durchführbarkeit von OPs sicher. Somit wird die Effizienz der Prozesse in der Sterilgutlogistik verbessert.
Erster Projekt-Milestone war ein umfangreicher »Hands-On« Workshop im Smart Glasses Labor des Fraunhofer FIT. Alle Projektpartner erhielten einen Einblick in aktuell verfügbare Smart Glasses und Augmented Reality Technologie. Erste Diskussionen über notwendige Eigenschaften der Geräte sowie Darstellungsformen fanden an insgesamt fünf verschiedenen Demo-Stationen statt. Unter anderem wurden die Microsoft HoloLens, die Vuzix M100, M300 und HMT-1, die aktuelle Google Glass Enterprise Edition und eine Epson Moverio gezeigt. Überdies hinaus wurden Interaktionsmöglichkeiten per Gestenerkennung diskutiert – jeweils unter dem Gesichtspunkt, dass während sämtlicher Arbeiten die Hände frei bleiben müssen, um sich auf die eigentlichen Arbeiten zu konzentrieren.
»Im nächsten Schritt werden wir Konzepte zur Unterstützung der Demontage-, Reinigungs- und Montagearbeiten erarbeiten und untersuchen, wie die Instrumentensuche in Lagern unterstützt werden kann. Im Ausblick wird es auch um Ideen zur Nachverfolgbarkeit von Instrumenten im gesamten Aufbereitungszyklus gehen – ein Thema, welches aufgrund einer Gesetzesnovelle ab 2020 absolute Wichtigkeit erfährt«, so Dr. René Reiners vom Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik FIT.
Fraunhofer FIT entwickelt die Interaktionskonzepte für Smart Glasses, um die Angestellten der Sterilgutversorgungsabteilungen optimal unterstützen zu können. Die Entwicklung erfolgt nutzerzentriert, das heißt unter ständiger Einbeziehung der Endnutzer, ihrer Anforderungen und ihres Feedbacks. So steht die Akzeptanz und Adäquatheit der entwickelten Lösung von Anfang an im Fokus.
Das Leitmarkt.NRW-geförderte Projekt wird von der Firma IT4Process aus Herzogenrath koordiniert. Weiterhin sind die Unternehmen CWS Classen, Tietze&Pozo Medizintechnik GmbH sowie das Universitätsklinikum Aachen beteiligt. Die Universitätskliniken Düsseldorf, Essen, Münster, Bonn und die WolfartKlinik Gräfelfing bei München bieten als assoziierter Partner eine breite Anwenderbasis und stehen dem Projekt beratend zur Seite.