Beitrag des Immunsystems bei Darmkrebs
AG Janßen
Wenn Darmkrebs in einem frühen Stadium entdeckt wird, kann die Erkrankung meist ohne Chemotherapie durch einen chirurgischen Eingriff erfolgreich behandelt werden. Trotz der scheinbar guten Prognose kehrt die Krankheit allerdings in zehn bis 40% der Fälle zurück, und bis zu 50% dieser Patienten sterben innerhalb der nächsten fünf Jahre. Bislang existieren keine wirklich verlässlichen Kriterien, anhand derer man diese Risikogruppe identifizieren könnte. Neue Studien belegen, dass nicht nur der Tumor selbst, sondern auch das Immunsystem eine entscheidende Rolle für den Krankheitsverlauf spielt. Die Art, genaue Lokalisierung und Anzahl von Immunzellen (T-Lymphozyten) im Tumor erwies sich in mehreren Studien als entscheidender Parameter für das Überleben, der sogar die bisher üblichen Prognosekriterien an Genauigkeit übertraf. Das Forscherteam um PD Dr. Klaus-Peter Janßen versucht nun herauszufinden, wie das Immunsystem mit seinen Botenstoffen, den sogenannten Chemokinen, in den Krankheitsverlauf eingreift. Die Ausprägung dieser Chemokine könnte es ermöglichen, das Risiko eines Krankheitsrückfalles besser einzuschätzen. Eventuell könnten diese Stoffe sogar das Fortschreiten der Erkrankung und die Entstehung von Tochtergeschwülsten (Metastasen) verhindern.
Die Klinische Forschergruppe "Molekulare Tumorbiologie" an der TU München untersucht zelluläre Signalwege, die bei der Entstehung von Darmkrebs verändert sind. Untersuchungen an Dickdarmtumoren hatten auffällige Veränderungen von sogenannten Interferon-regulierten CXC-Chemokinen ergeben, die abhängig vom jeweiligen Stadium des Tumors waren. Diese Chemokine zeigten einen engen Zusammenhang mit der Überlebenschance der Tumorpatienten nach einer den Krebs entfernenden Operation: eine hohe Konzentration der Chemokine im Tumor ging mit einer guten Prognose einher. Chemokine sind Eiweiße des Immunsystems, die als Botenstoffe Signale zwischen verschiedenen Zellen vermitteln. Sie bewirken beispielsweise die Rekrutierung von Abwehrzellen des Immunsystems, sogenannten T-Lymphozyten, die den Tumor gezielt angreifen können. Außerdem beeinflussen sie die Versorgung des Tumors mit Blutgefäßen. Dieser Prozess wird mit dem Fachbegriff Angiogenese bezeichnet, er ist für das Tumorwachstum von großer Bedeutung. In dem von der Wilhelm Sander-Stiftung geförderten Projekt wird seit dem Jahr 2007 untersucht, ob eine erhöhte Produktion der Interferon-regulierten Chemokine tatsächlich zu einer Hemmung des Tumorwachstums führt. Das Forscherteam untersucht dabei insbesondere die Mechanismen, die diese Hemmung vermitteln. Die erhöhte Chemokin-Produktion könnte wegen einer geringeren Versorgung des Tumors mit Blutgefäßen die Tumorzellen "aushungern", oder einen Einstrom von Immunzellen in den Tumor bewirken, die die Tumorzellen direkt abtöten. Die Ergebnisse der Arbeitsgruppe deuten daraufhin, dass bei Patienten mit guter Prognose, die eine hohe Konzentration der Chemokine im Tumor aufweisen, auch tatsächlich eine höhere Zahl von Immunzellen in den Darmtumoren vorliegt. Diese Immunzellen oder T-Lymphozyten besitzen den Rezeptor für die CXC-Chemokine auf ihrer Zelloberfläche. Für ihre aktuellen Untersuchungen setzt die Münchner Arbeitsgruppe ein neuartiges, genetisch definiertes Mausmodell ein, um zu einem definierten Zeitpunkt in Darmtumoren die Chemokin-Produktion "anzuschalten", oder "auszuschalten". Dieses Modellsystem bietet einen hohen Grad an experimenteller Kontrolle, es kann somit gezielt nach den kausalen Effekten der Immun-Botenstoffe gesucht werden. Ziel dieses Forschungsprojekt ist es, eine leichtere Identifizierung derjenigen Patienten zu ermöglichen, die ein erhöhtes Risiko für einen Krankheitsrückfall tragen. Langfristig soll damit zudem ein neuer Weg der therapeutischen Beeinflussung bei Dickdarmkrebs eröffnet werden.
Die Wilhelm Sander-Stiftung fördert dieses Forschungsprojekt mit über 180.000 €.