Neuer Mechanismus bei der Entstehung der Arteriosklerose entdeckt
Gefäßverkalkung und Plaque-Entstehung sind unabhängig vom Fettstoffwechsel
MPI für Herz- und Lungenforschung
Eine Verkalkung der Blutgefäße, bekannt als Arteriosklerose, ist eine in westlichen Gesellschaften weit verbreitete Grunderkrankung, die zu Herzinfarkt und Schlaganfall führen kann. Neben der Einlagerung von Fetten, am bekanntesten ist das Cholesterin, kommt es in der Gefäßwand auch zu Änderungen in der Gefäßmuskulatur, die den Gefäßen die richtige Spannung verleiht. Es gibt zwei verschiedene Typen glatter Gefäßmuskelzellen. Der Anteil sogenannter kontraktiler Gefäßmuskelzellen, die durch ihre Muskelarbeit die Spannung der Blutgefäße und damit den Blutdruck regulieren, sinkt. Dagegen steigt die Zahl der Zellen, die ihre Kontraktionsfähigkeit verloren haben und nun Entzündungsstoffe freisetzen. Die Zellen werden als synthetischer Muskelzellen bezeichnet. Zudem wandert dieser zweite Typ glatter Muskelzellen in die innere Schicht der Gefäßwand. Diese Prozesse sind entscheidend für die Ausbildung arteriosklerotischer Plaques und die Entstehung von Gefäßverschlüssen.
Thomas Braun, Abteilungsdirektor am MPI in Bad Nauheim, hat nun mit seiner Arbeitsgruppe und Kollegen der Universität Freiburg entdeckt, dass zwei bestimmte, in glatten Gefäßmuskelzellen vorkommende miRNAs - miR-143/145 - für die Entstehung der kontraktilen Gefäßmuskelzellen verantwortlich sind. Dazu züchteten die Bad Nauheimer Wissenschaftler Mäuse her, die kein miR-143/145 bilden können. "Gegenüber normalen Mäusen war bei diesen so genannten miR-143/145-Knockout-Mäusen der Anteil der kontraktilen Muskelzellen stark erhöht. Dadurch sinkt die Spannung der Blutgefäße so sehr, dass diese Mäuse sogar einen verminderten Blutdruck haben", sagt Braun.
Um die molekularen Mechanismen aufzuklären, untersuchten die Max-Planck-Forscher mithilfe einer eigens hierfür entwickelten Methode eine große Zahl an Zellproteinen. Das als quantitative Massenspektrometrie bezeichnete Verfahren ermöglichte es, rund 1.600 verschiedene Proteine bei normalen und Knockout-Tieren auf einmal zu vergleichen. Interessanterweise wies ausgerechnet das Angiotensin-Converting-Enzyme (ACE) in den Mäusen ohne miR-143/145 einen der stärksten Anstiege aller untersuchten Proteine auf. Von dessen Spaltprodukt, Angiotensin II, ist bekannt, dass es vielfältige Wirkungen auf glatte Gefäßmuskelzellen hat. "Damit konnten wir ACE als Schlüsselprotein in der Regulationskette der miR143/145 eindeutig identifizieren", erklärt Thomas Böttger, Erstautor der Studie.
"Mit den miR143/145 Knockout-Mäusen steht uns jetzt ein Modell zur Verfügung, mit dem wir die Entstehung der Arteriosklerose unabhängig von anderen Einflüssen wie dem Fettstoffwechsel untersuchen können", sagt Braun. Dadurch könne man künftig Signalwege, die durch die beiden miRNAs reguliert würden, genau analysieren. Neben dem ACE sollen nun weitere Proteine identifiziert werden, die für eine Therapie bei Arteriosklerose-Patienten in Frage kommen. "Wenn wir dadurch den normalen Phänotyp der glatten Muskelzellen erhalten können, könnte die Arteriosklerose zukünftig bereits in einer frühen Phase unterbunden werden", so Braun.
Die Studie wirft auch ein interessantes Licht auf den Einsatz sogenannter ACE-Hemmer bzw. von AT-Blockern, die bereits in großem Ausmaß zur Behandlung des Bluthochdruckes eingesetzt werden. In miR143/145-defizienten Mäusen führte die Behandlung mit derartigen Substanzen zu einer teilweisen Normalisierung des krankhaften Geschehens. Laut Braun und Böttger eröffnet die Blockade des Angiotensin-Signalweges eine interessante Option zur Blockade der krankhaften Umbauvorgänge der Arteriosklerose.
Originalveröffentlichung: Thomas Boettger et al.; "Acquisition of the contractile phenotype by murine arterial smooth muscle cells depends on the Mir143/145 gene cluster"; The Journal of Clinical Investigation 2009
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