Hilfe zur Selbsthilfe im Pflanzenschutz
Forscher entwickeln Verfahren gegen Teufelszwirn
TU Darmstadt
Im Volksmund heißt die Pflanze Teufelszwirn, Jungfernhaar, Kletterhur oder auch Hexenseide. Die Namen deuten schon an, wo für die Landwirtschaft das Problem liegt: Die Pflanze windet sich um Nutzpflanzen und entzieht ihnen Nährstoffe. "Der Teufelszwirn vernichtet nicht selten 20 bis 80 Prozent, manchmal sogar die komplette Ernte", berichtet Prof. Ralf Kaldenhoff vom Arbeitskreis Angewandte Pflanzenwissenschaften der TU Darmstadt.
Das könnte nun bald ein Ende haben, denn der Biologe und seine Arbeitsgruppe haben Tabak- und auch Tomatenpflanzen gentechnisch dazu gebracht, sich gegen den Teufelszwirn zu wehren. "Wir gehen davon aus, dass wir einen allgemeingültigen Abwehrmechanismus gefunden haben, so dass das Verfahren bei allen Nutzpflanzen anwendbar wäre", prophezeit Kaldenhoff.
Teuflischer Zwirn
Der Darmstädter Wissenschaftler erforscht seit vielen Jahren den Teufelszwirn oder Cuscuta, wie er auf Lateinisch heißt. Der Pflanzenparasit richtet vor allem in wärmeren Regionen wie Südamerika oder dem Nahen Osten im Kartoffel-, Getreide-, Soja- und Kaffeeanbau massive Schäden an. Das wurzel- und blattlose Windengewächs ist aber auch in Europa vertreten, wo es teilweise sogar unter Naturschutz steht.
Teufelszwirn "schlängelt" sich über den Boden, bis er eine potenzielle Wirtspflanze "riecht". Der Schmarotzer windet sich zu ihr hin, und schüttet ein sogenanntes Angriffsprotein aus. Dieses weicht die äußeren Zellschichten des Wirts auf, sodass der Schädling mit Hilfe eines sogenannten Klebeproteins eine Art Wurzel in die geschwächten Gewebezellen einhaken kann. Auf diese Weise umklammert der Schmarotzer sein Opfer, rankt an ihm empor und entzieht ihm Nährstoffe für den Eigenbedarf.
Ein Stückchen Eiweiß löst den Würgegriff
Die Forscher haben nun nicht nur herausgefunden, wie es Cuscuta schafft, sich bei der Nutzpflanze einzuhaken, sondern auch, wie man die befallene Pflanze dazu bringt, sich selbst zu schützen: Wenn sich die Teufelsschlinge dem potenziellen Wirt nähert und sein Angriffseiweiß ausschüttet, reagiert die Nutzpflanze zunächst mit einer Ausschüttung von Kalzium.
"Es ist wie ein Streitgespräch zwischen Parasit und Wirt. Die Wirtspflanzen senden typische Kalziumsignale aus, die erste Anhaltspunkte für uns waren, die Interaktionen zu verstehen", umschreibt es Kaldenhoff. "Wir haben dann dieses chemische 'Gespräch' genutzt, um im Sinne der Wirtspflanze in den Mechanismus einzugreifen."
Dazu hat das Forscherteam Tabakpflanzen dazu gebracht, ein Abwehr-Peptid zu produzieren, also einen Teil eines Eiweißes, mit dem der Wirt sich gegen das Angriffsprotein wehren kann. Das Angriffsprotein wird zwar noch immer produziert, doch kann es die äußeren Zellwände der Nutzpflanze nicht mehr aufweichen, weil es blockiert ist. "Diesen sogenannten Inhibitor haben wir als Teil des Angriffsproteins beim Teufelszwirn selbst entdeckt. Er ist praktisch ein eingebauter Selbstschutz, damit sich der Parasit nicht selbst verdaut", erläutert Kaldenhoff.
Die Forscher haben dann zunächst Tabakpflanzen gentechnisch verändert, so dass diese den Inhibitor selbst produzierten, um sich vor dem Schmarotzer zu schützen: "Diesen Abwehrmechanismus haben wir bereits problemlos auf Tomaten übertragen, denn Cuscuta löst offensichtlich immer den gleichen Mechanismus aus", sagt Kaldenhoff. "Wir glauben daher, dass er auch bei anderen Nutzpflanzen funktioniert."
Umweltverträglichkeit wird im Ausland geprüft
In Deutschland gelten für Freilandversuche mit gentechnisch veränderten Pflanzen strenge Gesetze. "Hierzulande ist aber auch das Interesse geringer als in südlichen Ländern, wo der wirtschaftliche Schaden sehr viel größer ist und zahlreiche Kleinbauern ihre Existenz verlieren", erklärt Kaldenhoff. Deshalb kooperiert die Arbeitsgruppe mit dem Newe Ya'ar Research Center in Israel und der Arab American University-Jenin in Palästina, wo es ausgewiesene Flächen für Freilandversuche mit grüner Gentechnik gibt.
"Hier werden wir die Toxizitätstests durchführen, um herauszufinden, ob der genetische Abwehrmechanismus ohne Auswirkungen auf die Umwelt bleibt", sagt Kaldenhoff. Vermutlich in der zweiten Jahreshälfte sollen die Versuche starten. Die Tests werden zunächst einmal drei Jahre lang laufen. Bei positivem Verlauf "werden wir dann gemäß den Gesetzen der jeweiligen Länder weiter verfahren", blickt Kaldenhoff in die Zukunft.
Bis dahin wird aber noch einige Zeit vergehen, die Kaldenhoff jedoch nicht ungenutzt verstreichen lassen will. Vor zwei Jahren hat er ein Rezept für eine Lösung gefunden, die das Abwehr-Peptid enthält. Für das günstig herzustellende Spritzmittel gegen den Teufelszwirn hat die TU Darmstadt bereits ein europaweites Patent, doch "unser Ziel ist es, die Lösung weltweit zu vertreiben", berichtet der Darmstädter Biologe.