Stich ohne Schrecken

Wissenschaftler können erstmals die Symptome des anaphylaktischen Schocks verhindern

30.01.2009 - Deutschland

Es kann mit einem harmlosen Wespenstich beginnen: Innerhalb kürzester Zeit kommt es zu einem dramatischen Abfall des Blutdrucks, Herzrasen, asthmaartiger Luftnot und schließlich zum lebensbedrohlichen Versagen des Herz-Kreislauf-Systems. Der anaphylaktische Schock ist die extremste Form einer akuten allergischen Reaktion. Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung in Bad Nauheim, der Universitäten Frankfurt und Heidelberg sowie des Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) haben nun mithilfe eines genetischen Mausmodells die Schlüsselmoleküle identifiziert, die für die fatalen Folgen eines anaphylaktischen Schocks verantwortlich sind.

Max-Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung

Schutz vor den Folgen des anaphylaktischen Schocks: Gq/G11-defiziente Mäuse wurden mit dem Reportergen ß-Galaktosidase markiert. Eine Farbstoffreaktion verursacht die Blaufärbung der Blutgefäßwand, da nur dort die Gene für die beiden G-Proteine ausgeschaltet wurden. Die Abbildung zeigt einen histologischen Schnitt durch Nierengewebe (rot gefärbt).

Seit Jahren ist eine Zunahme von Allergien zu beobachten. In ähnlichem Maße gilt dies auch für die besonders schwere Form, den anaphylaktischen Schock. Zwischen einem und fünfzehn Prozent der Bevölkerung kann es im Laufe des Lebens treffen, Tendenz steigend.

Auslöser sind oftmals Nahrungsmittel, Antibiotika oder ein Wespenstich, die eine extreme Überreaktion auslösen. Der Körper erkennt diese Allergene zunächst mittels Immunglobulinen (IgE), die an IgE-Rezeptoren auf Mastzellen und Basophilen binden. Dabei handelt es sich in beiden Fällen um weiße Blutkörperchen (Leukozyten). Anschließend setzen diese Zellen eine Reihe sogenannter Vermittler (Mediatoren) frei, wie Histamin und den Plättchen-Aktivierungsfaktor PAF. Diese Botenstoffe übermitteln das Signal dann an betroffene Organe wie Lunge, Herz und Blutgefäße.

Für Stefan Offermanns, Direktor am Max-Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung, besitzt die fehlgeleitete Reaktion der inneren Blutgefäßwand, des Endothels, eine zentrale Bedeutung: "Normalerweise kontrolliert das Endothel den Transport von Stoffen über die Gefäßwand hinweg und baut eine enge Barriere auf. Diese bricht beim anaphylaktischen Schock vollständig zusammen. Zudem werden die Endothelzellen aktiviert. Die Folge ist unter anderem ein massiver Abfall des Blutdrucks." Die meisten der Mediatoren aktivieren G-Protein-gekoppelte Rezeptoren, über welche dann die Signalübertragung läuft. Offermanns und seinen Mitarbeitern ist es nun im Tiermodell gelungen, durch das Ausschalten von nur zwei G-Proteinen die schwersten Reaktionen beim anaphylaktischen Schock zu verhindern.

"Möglich wurden diese Befunde durch die Generierung von Mäusen, bei denen die Gene für die Alpha-Untereinheiten der G-Proteine Gq und G11 ausgeschaltet sind, und zwar nur auf den Endothelzellen. Das Ausschalten dieses Signalweges hatte keinen Einfluss auf die normale Funktion, schützte die Tiere aber vor den fatalen Folgen einer Reihe von anaphylaktischer Mediatoren", sagt Offermanns. Beispielsweise kam es bei diesen Gq/G11-defizienten Mäusen im Experiment nicht zu einer Zunahme der Gefäßpermeabilität; die Gefäße blieben gewissermaßen dicht.

Überrascht waren die Wissenschaftler über die hohe Spezifizität des Gq/G11-vermittelten Signalwegs. Das Ausschalten anderer verwandter Signalwege führte zu keinem vergleichbaren schützenden Effekt. Deshalb ist sich Offermanns sicher, einen geeigneten Kandidaten für die Entwicklung neuer Medikamente gefunden zu haben: "Mit der Identifizierung dieses Signalweges in Endothelzellen als kritischem Vermittler des anaphylaktischen Schocks können wir nun gezielt neue pharmakologisch aktive Substanzen zur Prophylaxe oder Behandlung schwerer anaphylaktischer Reaktionen entwickeln."

Originalveröffentlichung: Hanna Korhonen et al.; "Anaphylactic shock depends on endothelial Gq/G11"; Journal of Experimental Medicine, Online-Vorabveröffentlichung, 26. Januar 2009

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