Merckle verspekuliert sich: Rätselraten über Zukunft von ratiopharm

19.11.2008 - Deutschland

(dpa) Ratiopharm soll verkauft werden. Wegen der Fehlspekulationen des Unternehmenspatriarchen Adolf Merckle mit VW-Aktien und der Schuldenlast der Merckle-Mehrheitsbeteiligung HeidelbergCement dringen Banken offenbar auf einen Verkauf von dem Generikahersteller. Das Ziel, die 1881 gegründete Gruppe auch in Zukunft als unabhängiges und selbstständiges Familienunternehmen zu führen, scheint für den verschwiegenen schwäbischen Clan-Chef nicht länger haltbar.

Besonders gut scheint der Zeitpunkt für einen ratiopharm-Verkauf in der derzeitigen Finanzkrise nicht gewählt zu sein. Doch der Ulmer Unternehmer Merckle steht offenbar mit dem Rücken zur Wand. Mehr als eine Milliarde Euro soll Merckle in den vergangenen Wochen mit Geschäften mit VW-Aktien verloren haben, erfuhr die Finanz- Nachrichtenagentur dpa-AFX am Montag aus Finanzkreisen. Und bei HeidelbergCement, an der das Merckle-Imperium 80 Prozent hält, müssen nach der Milliardenübernahme des britischen Hanson-Konzerns offenbar rund 600 Millionen Euro refinanziert werden.

Die missratenen Wetten mit der VW-Aktie scheinen die Diskussionen um ratiopharm zu beschleunigen: Ende Oktober erreichte die Aktie den Rekordstand von 1005,01 Euro - damit war Volkswagen kurzzeitig das teuerste Unternehmen der Welt. Einige Anleger - offenbar auch Merckle - machten Milliarden-Verluste, weil sie bei misslungenen Leerverkauf-Geschäften auf fallende Kurse gewettet hatten. Händler hatten dabei massiv geliehene VW-Aktien verkauft. Sie wollten sie vor der Rückgabe an die Leihgeber zu niedrigeren Kursen wiederkaufen und die Differenz als Gewinn einstreichen. Es kam anders: Porsche gab bekannt, dass man inzwischen rund 74 Prozent der Anteile an VW in der Hand halte. Der Kurs schoss in die Höhe und die Leerverkäufer wurden kalt erwischt.

Mit einem Umsatz von 1,819 Milliarden Euro (2007) und den nach der jüngsten Krise wieder guten Gewinnmargen könnte ratiopharm durchaus einen Erlös von drei bis fünf Milliarden Euro einbringen - wenn man die zuletzt gezahlten Aufschläge bei Generikaübernahmen als Maßstab heranzieht. Insider rechnen jedoch damit, dass es schwierig sein dürfte, derzeit die obere Spanne zu realisieren.

"Fünf Milliarden Euro ist die Bewertung für gute Zeiten", lautet die Einschätzung eines langjährigen Branchenkenners. Denn auf dem deutschen Generikamarkt herrscht Unsicherheit darüber, wie sich die neuen Rabatt-Ausschreibungen der Krankenkassen auswirken werden. Zudem habe ratiopharm eine schlechtere Kostenstruktur als der Konkurrent STADA. Ratiopharm ist auf dem deutschen Markt stark vertreten. 2007 betrug der ratiopharm-Umsatz in Deutschland 819,4 Millionen Euro.

Seit Jahrzehnten ist das Unternehmen in der Hand der Merckles. "Merckle hat ratiopharm groß gemacht und das Geschäftsmodell in Deutschland eingeführt. Auch wenn er sich verspekuliert haben sollte, dürfte er noch andere Optionen als den alleinigen Verkauf von ratiopharm prüfen", heißt es von einer anderen Quelle.

Angeblich soll noch in dieser Woche entschieden werden, welche Bank das Verkaufsmandat für ratiopharm erhält. Insider rechnen mit einer schwäbischen Lösung und verweisen auf Lothar Späth, den früheren Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg und seit Mai 2005 Vorsitzender der Geschäftsführung von Merrill Lynch für Deutschland und Österreich. Als mögliche Interessenten gelten der Branchenprimus, die israelische Teva Pharmaceuticals, der französische Konzern Sanofi-Aventis und das britische Unternehmen GlaxoSmithKline - Beobachter halten Sanofi- Aventis dabei für den wahrscheinlichsten Interessenten.

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