Krebstherapie: Vom Tarnen und Täuschen
Bernhard Keppler und sein Team beschäftigen sich schon seit Jahren mit der Entwicklung von Tumortherapeutika. Besonders intensiv widmen sie sich der Erforschung der so genannten metallhaltigen Substanzen. Platin-Verbindungen gehören heute zu den am meisten angewandten Tumortherapeutika. Etwa jedes zweite Therapieschema, das an TumorpatientInnen angewandt wird, enthält eine Platinverbindung. Auch Ruthenium oder Galliumverbindungen sind in den letzten Jahren in der Krebsforschung immer wichtiger geworden und werden heute in der Therapie teilweise schon an PatientInnen erprobt.
Die neu eingerichtete Forschungsplattform "Translational Cancer Therapy Research", die für drei Jahre aus Mitteln der beiden Universitäten finanziert ist, wird gemeinsam mit Walter Berger und Michael Micksche vom Institut für Krebsforschung an der Medizinischen Universität Wien betrieben. Schon bisher hat man Forschungsprojekte gemeinsam abgewickelt, betont Keppler: "Unsere Kooperation ist vorbildlich und wird durch die neue Plattform noch Erfolg versprechender werden."
Insgesamt wollen die Forscher fünf verschiedene Wirkklassen untersuchen. Ein Schwerpunkt liegt in der Verbesserung eines bereits etablierten Therapeutikums, das als Basistherapie bei Dickdarmkarzinom, der zweithäufigsten Tumorart weltweit, zum Einsatz kommt. Diese Therapie verläuft momentan nur suboptimal, weil sie viele Nebenwirkungen hat - vor allem neurologische Probleme wie Taubheit der Hände oder Verlust des Geschmackssinns - und der Wirkstoff "Oxaliplatin" die Tumorzellen nur ungenügend erreicht.
In einer sehr aufwändigen, fünfjährigen Synthese ist es gelungen, das Molekül so zu verändern, dass es sich künftig besser an die DNA der Tumorzelle anbinden kann - dadurch wird die Wirksamkeit erhöht. In den momentan laufenden Tierversuchen konnte sogar die Dosierung des Wirkstoffs erhöht werden, ohne dass Nebenwirkungen auftraten. "Wenn alles gut geht und ein Industriepartner für die Entwicklung des Medikaments gefunden wird, könnten bereits in drei bis fünf Jahren klinische Studien an Menschen durchgeführt werden", glaubt Keppler.
Eine andere viel versprechende Möglichkeit der Krebstherapie ist der Einsatz so genannter pH-sensibler Platin-Verbindungen. Während nämlich Blut einen normalen pH-Wert hat, herrscht im Tumor mit einem pH-Wert von fünf ein leicht saures Milieu vor. Die von Keppler und seinem Team hergestellten Verbindungen sollen erst im Tumor ihre Wirksamkeit entfalten, um optimale Ergebnisse in der Behandlung zu erzielen. "Wir programmieren das Molekül so, dass der niedrige pH-Wert der Auslöser ist, damit die Substanz reaktiv wird", erklärt der Chemiker und Arzt.
Erst am Beginn der Forschung stehen die Wissenschafter auf dem Gebiet der so genannten Trans-Platin-Komplexe. Dabei verändern die Forscher die Strukturen der DNA in so geringer Weise, dass der Tumor diese neue Verbindung quasi "übersieht" und von der neuen Wirksubstanz "überrascht" wird.
Weitere Arbeiten widmen sich der Erforschung von Ruthenium-Verbindungen zur Tumorbekämpfung sowie einer Wirkstoffklasse, die einen Prozess unterbindet, bei dem - vereinfacht ausgedrückt - RNA in DNA umgewandelt wird, sodass die Erbinformation des Tumors verändert werden kann.