Eine kleine Base für alle Fälle

16.01.2008

Wissenschaftler um Ralph Bock vom Max-Planck-Institut für molekulare Pflanzenphysiologie in Potsdam haben dazu Chloroplasten von Tabakpflanzen so verändert, dass ihnen für den Einbau der Aminosäure Glycin nicht mehr die nach klassischer Ansicht mindestens zwei tRNAs zur Verfügung standen, sondern nur jeweils eine. Dabei konnten sie zeigen, dass die kleine Base Uracil (U) mit allen anderen Basen paaren kann und so eine Art molekularen Dietrich bildet. Das hat zurfolge, dass Genome wesentlich kleiner und kompakter sein können.

Die Bausteine der Erbsubstanz, die Nukleinsäuren (DNA und RNA), bestehen aus vier Informationsträgern, den sogenannten Basen. Die Basen der RNA-Moleküle heißen Adenin (A), Cytosin (C), Guanin (G) und Uracil (U). Kombinationen aus jeweils drei dieser Basen bestimmen die spätere Reihenfolge der Aminosäuren (Eiweißbausteine). Für die meisten der 21 Aminosäuren stehen dabei nach den Regeln des genetischen Codes mehrere Basenkombinationen zur Verfügung. Der Einbau wird durch sogenannte tRNAs vermittelt, die die jeweilige Dreierkombination von Basen erkennen und dann den entsprechenden Aminosäurebaustein an der richtigen Stelle in das Protein einbauen. Dies geschieht durch die Paarung zweier jeweils passender Basen. C passt auf G und A auf U.

Jetzt müssen Schulbücher ergänzt und umgeschrieben werden: Denn den Max-Planck-Wissenschaftlern in Potsdam ist es nun gelungen, den Mechanismus aufzuklären, durch den auch mit weniger "Schlüsseln" die komplette genetische Information umgesetzt werden kann. Dieser als "Superwobbeln" bezeichnete Effekt konnte durch Experimente an Chloroplasten von Tabakpflanzen erstmals experimentell bestätigt werden. Die alternative Theorie, dass es für den korrekten Einbau mancher Aminosäuren ausreicht, wenn nur zwei Nukleotidbasen der Boten-RNA mit der tRNA paaren, konnte widerlegt werden - große, "sperrige" Nukleotidbasen, wie z.B. Guanin, lassen dies nicht zu. Die kleine, flexible Base Uracil hingegen kann mit allen anderen Basen paaren und damit gewissermaßen als "Joker" oder "Dietrich" wirken. "Durch diesen Mechanismus können Genome kleiner und kompakter sein, weil nicht alle tRNA-Moleküle vorhanden sein müssen", sagt Marcelo Rogalski, Mitglied der Arbeitsgruppe um Professor Bock. Die genetische Information werde dabei nach wie vor korrekt und ausreichend schnell übersetzt. Seit einigen Jahren ist bekannt, dass es einige Bakterien und Zellorganellen (Chloroplasten und Mitochondrien) gibt, die nicht für jede Basenkombination die passende tRNA besitzen. An Chloroplasten sollte nun herausgefunden werden, ob das Schlüssel-Schloss-Prinzip der tRNA durch einen "Dietrichmechanismus" einzelner tRNAs umgangen wird.

Originalveröffentlichung: Marcelo Rogalski, Daniel Karcher & Ralph Bock; "Superwobbling facilitates translation with reduced tRNA sets."; Nature Structural and Molecular Biology 2008.

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