Die Post-Genom-Ära kommt mit Proteomics und Systembiologie
Biotechnik auf der Analytica 2002
Mit der Entschlüsselung von 95 Prozent des menschlichen Genoms im letzten Jahr geht es nun verstärkt an die Auswertung der gewonnenen Erkenntnisse: Den genetischen Informationen müssen Funktionen zugeordnet werden, erst dann kann auf therapeutisch wirksame Stoffe geschlossen werden. Parallel zu diesem als Functional Genomic Analysis bezeichneten Verfahren ist die Proteomforschung auf dem Vormarsch: Sie erfasst die Vielfalt der in einem Organismus vertretenen Proteine und versucht, ihre Funktionen und ihr Zusammenspiel zu ermitteln. Traditionelle und neue Analysetechniken helfen den Biolabors, diese Anforderungen optimal und auch effizient zu bewältigen.
Zur den wichtigen Instrumenten der Proteomforschung zählt die Analyse der Protein-expression, also der Anzahl, Größe und chemischen Zusammensetzung der Proteine in einer Zelle. Unverzichtbar bei der Auftrennung der Proteine und der Identifizierung ihrer Bestandteile sind zudem die Gelelektrophorese und Massenspektrometrie. Physikalische Methoden wie die Röntgenbeugung oder die Kernspinresonanz (NMR) kommen zum Einsatz, um das Zusammenspiel verschiedener Proteine (Protein Mapping) zu erforschen und ihre räumliche Struktur aufzuklären. Mit der Aufklärung einzelner Moleküle und ihres Zusammenspiels weiß man noch längst nicht, wie eine Zelle wirklich funktioniert. Hier setzt man hohe Erwartungen in die Systembiologie, um in Zukunft das Netzwerk der Regelvorgänge in einer Zelle komplett in einem Computer abzubilden. Im Rahmen der Analytica 2002 präsentieren die Aussteller nicht nur ihre aktuellen Gerätegenerationen und Analyse-Tools für die Biolabors, sondern zeigen auch die Entwicklungstrends für die Biotech-Branche auf. Ultra High Throughput Screening und Analyseroboter sind nur zwei Beispiele für die Innovationskraft der Analytik-Branche.
Ultra High Throughput Screening: Sieben Millionen Tests pro Woche Kombinatorische Chemie, Pharmakogenomik und Proteomik produzieren heute eine Vielzahl an chemischen Verbindungen, die potentielle Wirkstoffe für neue Medikamente darstellen. Nur mit Hilfe automatisierter schneller Analyseverfahren, dem High Throughput Screening, können diese Moleküle effektiv darauf getestet werden, ob sie sich für die Entwicklung von Medikamenten eignen. Mit der Optimierung der kombinatorischen Verfahren wird die Menge der zu prüfenden Produkte in den nächsten Jahren noch erheblich steigen.
Besonders intensiv dürften in nächster Zukunft automatisierte Lösungen nachgefragt werden, vermutet die Unternehmensberatung Frost & Sullivan in einer Analyse zum High Throughput Screening (HTS). Danach könnten einstufige Verfahren und Robotertechnik dazu beitragen, Engpässe bei den Tests abzubauen und durch Minimierung des Zeitaufwandes die Kosten zu reduzieren. Zusätzliches Potenzial biete als Weiterentwicklung das Ultra High Throughput Screening (UHTS), weil damit die Zahl der Tests weiter erhöht werden kann. "Im Jahr 2004 könnte die durchschnittliche Zahl von Tests sieben Millionen pro Woche erreichen," so Luz Del Pietro, Analystin für den Bereich Wirkstoffforschung bei Frost & Sullivan.
Verbesserte Diagnostik für individuelle Therapien Die medizinische Diagnostik wird erheblich exakter und empfindlicher werden - auch hier zeigen sich Erfolge der modernen Biotechnik. Schon heute kann die Anfälligkeit gegenüber bestimmten Krankheiten mit Hilfe von Erbgut-Tests schnell vorausgesagt werden. Was gestern noch aufwändige und zeitraubende Analysen erforderte, wird in Zukunft zur Routine - Analysenroboter können immer schneller immer mehr Proben verarbeiten. Dies könnte auch die Therapie mit Arzneimitteln verändern: Nicht jeder Mensch trägt die gleiche Ausstattung an Enzymen mit sich, nicht jeder Körper verarbeitet einen Wirkstoff gleich. Dieses Wissen soll mit Hilfe geeigneter diagnostischer Methoden genutzt werden, um die Wirkung eines Präparats auf einen individuellen Patienten vorherzusagen - und nur diejenigen damit zu behandeln, die auf den Wirkstoff gut ansprechen und geringe Nebenwirkungen zeigen.
300-500 Biotechnik-Firmen in Deutschland - je nach Definition Wie viele Biotechnik-Unternehmen gibt es in überhaupt Deutschland? Die Unternehmensberatung Ernst & Young zählte Ende 2000 rund 332 sogenannte "Core Biotech Companies". Unter diesem Begriff fallen kleine und mittlere Unter-nehmen mit weniger als 500 Mitarbeitern, deren Hauptzweck die Kommerzialisierung der modernen Biotechnologie ist. Dazu kommen rund 400 weitere Unternehmen, die nicht nur, aber auch im Biotechniksektor Geschäftsaktivitäten haben.
Die Analytica deckt diese Branche umfassend ab: Berücksicht man, dass nicht alle Biotech-Unternehmen "messetaugliche" Produkte haben, stellen die aktuell über 311 angemeldeten Firmen im Ausstellungsschwerpunkt Biotechnologie die deutsche Biotech-Branche in ihrer Gesamtheit dar. Dazu zählen Start-ups und etablierte Biotech-Firmen ebenso wie Forschungsinstitute, Kompetenz-Zentren und Biotech-Cluster. Die Situation der Biotechnik-Branche in Deutschland und Europa wird zudem in Vorträgen auf dem Analytica Forum umfassend beleuchtet und diskutiert. Einen detaillierten Überblick über die aktuellen Forschungsergebnisse sowie F & E-Trends in der Biotechnologie gibt die Analytica Conference. Fachsymposien zu den Themen Bioinformatik, Functional Genomic Analysis, Single Cell Analysis und Gen-Diagnostik dokumentieren die zunehmende Relevanz der Biotechnologie für die moderne Analytik.
Die ANALYTICA, Internationale Fachmesse und ANALYTICA Conference, ist Europas bedeutendste Plattform für Instrumentelle Analytik, Diagnostik, Labortechnik und Biotechnologie. Sie findet alle zwei Jahre statt und öffnet in 2002 vom 23. bis 26. April auf der Neuen Messe München zum 18. Mal ihre Tore. Es werden rund 1.000 Aussteller und 30.000 Fachbesucher erwartet. Weitere Informationen rund um die Messe, die Analytica Conference und das Veranstaltungsprogramm sind im Internet unter www.analytica.de abrufbar.