Chemische Keule als Appetitzügler
Chemiker der Universität Jena entschlüsseln Verteidigungsstrategien von Braunalgen
Dabei hat der Chemiker der Jenaer Universität mit Kollegen aus Lausanne (Schweiz) und Atlanta (USA) jetzt entdeckt, wie sich die Braunalge Dictyota dichotoma vor hungrigen Meeresbewohnern schützt. Mit einem übel riechenden Cocktail aus zwei Gasen und einer Säure verdirbt sie Fraßfeinden gehörig den Appetit. "Das Besondere daran ist, dass die Einzelsubstanzen in den intakten Algen gar nicht vorkommen", macht Pohnert das Prinzip deutlich. Die chemischen Substanzen liegen in Speicherformen in der Alge vor und haben unter normalen Bedingungen die Aufgabe, den Wasser- und Salzhaushalt zu regulieren (Osmoregulation). Erst wenn die Alge verletzt wird - zum Beispiel durch den Biss eines Tieres - werden aus den Speicherformen die Chemikalien freigesetzt.
"Etwas fischig und dumpf schwefelig", umschreibt Pohnert den Geruch, der den verletzten Algen entströmt. Hauptsächlich Trimethylamin (TMA) und Dimethylsulfid (DMS) sind für diese Geruchsnote verantwortlich. Dass es gerade dieses Aroma ist, das kleine Krebse davon abhält, die Braunalgen zu fressen, konnten die Chemiker durch die "Befragung" von Amphipoden zeigen. Den wenige Millimeter großen Tieren boten die Forscher eigens hergestelltes Futter an. Eine Variante enthielt zerkleinertes Material einer bevorzugten Futteralge. Die andere Variante wurde zusätzlich mit TMA, DMS und Acrylat versetzt.
"Das Ergebnis hatte uns zunächst überrascht", so Pohnert. Denn weder TMA noch DMS oder Acrylat hielten die Krebse auf Distanz. Auch die Kombination aus jeweils zwei der Komponenten zeigt keinerlei Wirkung auf den Appetit der Kleinkrebse. "Erst alle drei Substanzen zusammen entfalten eine abschreckende Wirkung", resümiert Pohnert.
Der Befund, dass marine Krebse Duftbouquets wahrnehmen können, sei gänzlich neu, so der Jenaer Chemiker. Pohnert vermutet, dass seine Ergebnisse einen beachtlichen Einfluss auf die weiteren Arbeiten in diesem Gebiet der chemischen Ökologie haben werden. Bisher basieren die meisten Untersuchungen nur auf Tests mit einzelnen gereinigten Komponenten. "Einige der so erhaltenen Ergebnisse müssen sicher mit naturidentischen Chemikalienmischungen neu hinterfragt werden."
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