Wie reagieren wir spezifisch auf Stress?

Forscher identifizieren einen molekularen Schalter, der unsere Zellen spezifisch und treffsicher auf Stress reagieren lässt

23.10.2007

Wenn wir unter Stress stehen, reagiert unser gesamter Organismus sofort und effektiv auf die jeweilige Situation und passt sich an diese an. Wie Stress diese regulativen Prozesse auf zellulärer Ebene steuert, haben nun Eduardo Arzt von der Universität von Buenos Aires in Argentinien und Florian Holsboer vom Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München herausgefunden. Sie identifizierten einen Faktor (RSUME, RWD-containing Sumoylation Enhancer), der die Veränderung von Eiweißstoffen durch kleine Ubiquitin-ähnliche Moleküle (Sumoylation) verstärkt. Diese Veränderung stabilisiert, aktiviert oder ändert die Funktion der betroffenen Eiweißstoffe und bildet die Grundlage einer erfolgreichen Stressreaktion. Entdeckt wurde RSUME in Tumorzellen, welche meist unter chronischem Sauerstoffmangel (Hypoxie) als Stressfaktor leiden. Die Aufklärung der Regelkreise, die von RSUME kontrolliert werden, könnte in Zukunft therapeutische Interventionen ermöglichen, sowohl in der Tumorbehandlung als auch bei Sauerstoffmangel nach der Geburt (pränataler Hypoxie), Schlaganfall sowie traumatischer Gehirnverletzung. Äußere Einflüsse wie zum Beispiel Kälte, Hitze, Gifte oder Sauerstoffmangel ebenso wie innere Faktoren auf emotionaler Ebene bringen den Organismus aus dem Gleichgewicht. Ein fein reguliertes System molekularer, zellulärer, hormoneller und neuronaler Reaktionen versucht unverzüglich das ursprüngliche Gleichgewicht wieder herzustellen und den Organismus auszubalancieren.

In den letzten Jahren konnten molekulargenetische Studien neue Einblicke in die zugrunde liegenden Regulationsprozesse geben. Um eine schnelle Reaktivität des Organismus auf äußere und innere Änderungen zu gewährleisten, werden vorhandene Eiweißstoffe (Proteine) durch Bindung von sogenannten SUMO-Molekülen (Sumoylation) verändert und dadurch in ihrer Stabilität, Aktivität und Funktionalität beeinflusst, mit dem Ziel vorhandenes Ungleichgewicht auszugleichen. Bisher war jedoch unzulänglich bekannt, wie der Sumoylationsprozess beispielsweise bei Stress ausgelöst wird.

In einer Arbeit in "Cell" beschreiben die Wissenschaflter die Identifikation von RSUME, der bei zellulärem Stress wie Hypoxie und Hitzeschock aktiviert wird und infolgedessen eine starke Sumoylationsreaktion auslöst. Dabei verstärkt er die Bindung der beteiligten Reaktionspartner und bestimmt die Auswahl des zu verändernden Proteins. RSUME ist damit maßgeblich an der Spezifität der ausgelösten Veränderungen beteiligt und koppelt Stress und Sumoylation auf molekularer Ebene.

RSUME, charakterisiert durch die Proteinstrukturen RWD (RING finger, WD repeat, DEAD-like helicase), ist das erste Mitglied einer größeren Proteinfamilie, dessen molekulare Funktion aufgeklärt werden konnte. Es liegt nahe anzunehmen, dass weitere RDW Proteine ebenfalls regulatorisch auf die Sumoylation einwirken und die Bandbreite der Reaktionsspezifität auf Stimuli zu einem komplexen Netzwerk vergrößern. Zusätzliche Analysen der molekularen Regelkreise werden neue Erkenntnisse ergeben, wie unterschiedliche äußere und innere Stimulation vom Organismus aufgenommen und mit spezifischer Reaktion beantwortet wird. Ein Verständnis dieser molekularen Zusammenhänge könnte zukünftig die gezielte therapeutische Intervention sowohl bei Tumoren, bei Sauerstoffmangel nach der Geburt (pränataler Hypoxie), sowie Schlaganfall und traumatischer Gehirnverletzung eröffnen.

Originalveröffentlichung: Alberto Carbia-Nagashima, Juan Gerez, Carolina Perez-Castro, Marcelo Paez-Pereda, Susana Silberstein, Günter K. Stalla, Florian Holsboer, Eduardo Arzt; "RSUME, a small RWD-containing protein, enhances SUMO conjugation and stabilizes HIF-1 during hypoxia"; Cell 2007.

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