Epigenomik in Deutschland: Chancen für Biotechnologie und Medizin

Innovationsanalyse bewertet Stand von Forschung und Entwicklung

02.10.2007

Die Epigenomik ist ein innovatives Forschungsfeld mit besonderer Relevanz in der Onkologie. Deutsche Grundlagenforscher gehören zur weltweiten Spitzengruppe und bieten damit prinzipiell die Voraussetzungen für die Umsetzung in kommerzielle Produkte und Dienstleistungen - so das Ergebnis einer vom Bundesforschungsministerium (BMBF) geförderten Innovationsanalyse, die von der genius GmbH durchgeführt wurde. Die umfassende Untersuchung stellt weiterhin fest, dass eine Reihe deutscher Unternehmen der Biotechnologie- und Pharmabranche in der Epigenomik erste innovative Entwicklungen vorantreibt, durch Patente sichert und dadurch eine vorteilhafte Position im internationalen Wettbewerb besitzt. Zur breiten Nutzung des innovativen Potenzials der Epigenomik in der Medizin und zum Ausbau der Marktposition deutscher Unternehmen bedarf es jedoch der gezielten Förderung der klinischen und kommerziellen Entwicklung. Die Analyse beruht auf Hintergrundrecherchen und der Befragung von Akteuren aus Forschungseinrichtungen und Unternehmen.

Epigenomik schafft ein neues Verständnis der Genregulation

In Deutschland vereint die Epigenomik über 100 Forschergruppen aus der genetischen und zellbiologischen Grundlagenforschung sowie der Medizin und der Bioinformatik. Das neue, interdisziplinäre Wissenschaftsfeld beschäftigt sich mit dem Thema, wie innere und äußere Umwelteinflüsse die Genaktivität durch Strukturveränderung der DNA steuern können. Die Forschungsergebnisse liefern Hinweise auf Entwicklungsvorgänge in Zellen und Organen und geben Aufschluss über Krankheitsursachen. Epigenomische Störungen werden beispielsweise mit der Entstehung von Krebs, Diabetes mellitus, Schizophrenie oder Rheuma in Verbindung gebracht. Aufgrund der fundamentalen Bedeutung epigenetischer Steuermechanismen bei der Entwicklung und Veränderung von Zellen ergeben sich innovative Ansätze in der Krebsforschung, der Stammzellenforschung, der Neurobiologie, der Immunologie und der Altersforschung. "Die Epigenomik verändert grundlegend unser Verständnis von der Genregulation. Der Report der Genius GmbH gibt dem Forschungsgebiet ein Gesicht und bestätigt, dass das Feld in Deutschland zu den treibenden Kräften in Europa gehört", betont Professor Jörn Walter, führender Epigenomik-Wissenschaftler an der Universität Saarbrücken. Für Deutschland sei es extrem wichtig, innovative Epigenomik-Technologien umgehend und zielstrebig zu fördern, um im internationalen Wettbewerb kompetitiv zu bleiben.

Erste Erfolge in der Krebstherapie

Wie die Untersuchung ergab, beschäftigt sich die Mehrzahl der deutschen Epigenomik-Forscher mit Krebserkrankungen. Dabei werden Möglichkeiten zur Entwicklung neuartiger Diagnose- und Behandlungsmethoden erschlossen, die sich grundlegend von der konventionellen Chemotherapie unterscheiden und diese ergänzen können. Erste Erfolgsmeldungen aus der Klinik, zum Beispiel bei der Behandlung von Leukämie mit epigenetischen Wirkstoffen, sind vielversprechend. Da sich jedoch Krebserkrankungen genetisch stark unterscheiden, bedarf es nach Aussage der befragten Wissenschaftler noch intensiver präklinischer und klinischer Forschung bevor epigenetisch wirkende Medikamente zu einem breiten Einsatz kommen.

Differenziertes Marktpotenzial

Die etwa 30 Unternehmen, die sich in Deutschland im Bereich der Epigenomik engagieren, sind bei der Erschließung internationaler Märkte nach eigener Aussage gut positioniert. Das wirtschaftliche Potenzial variiert allerdings je nach Anwendungsbereich. Kommerziell am aussichtsreichsten ist momentan die Entwicklung von Schlüsseltechnologien zur Epigenomanalyse oder die Vermarktung von Krebsdiagnostika. Hier sind bereits erste Produkte in der Pipeline und stehen kurz vor der Markteinführung. "Epigenomische Tests zur individuellen Krebsdiagnostik werden Früherkennung, Prognose und Therapie von Tumorerkrankungen weitreichend unterstützen", ist Dr. Kurt Berlin, Chief Scientific Officer der Epigenomics AG, überzeugt.

Andere Bereiche müssen dagegen erst noch ihren wirtschaftlichen Nutzen beweisen und sich gegenüber konkurrierenden Produkten bewähren. Dies trifft vor allem für die Entwicklung von Medikamenten zu - hier klafft eine deutliche Lücke zwischen Forschung und klinischen Studien. Obwohl Pharmaexperten den potenziellen deutschen Markt für "Epidrugs" laut Untersuchung auf mehrere hundert Millionen Euro jährlich schätzen, sind in Deutschland nur wenige Pharmaunternehmen in der Entwicklung epigenetischer Präparate aktiv. Was epigenetische Therapien betrifft, ist das wirtschaftliche Potenzial daher insgesamt momentan schwer einzuschätzen.

Verzahnung von Wissenschaft und Industrie

Aus Sicht der Genius GmbH weisen die Analyseergebnisse auf die Notwendigkeit hin, die kommerzielle Umsetzung in bestimmten Kernbereichen der Epigenomik durch entsprechende Fördermaßnahmen noch weiter zu verstärken. Insbesondere benötige das innovative Forschungsfeld einen intensiven Brückenschlag zwischen Wissenschaft und Wirtschaft und eine Stärkung der klinischen Forschung und Entwicklung.

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