Neues Lebermodell für Medikamententest
Pharmaunternehmen investieren viel Geld in die Entwicklung neuer Medikamente. Um zu untersuchen, wie die neuen Substanzen wirken, setzen die Forscher meist auf Tierversuche. Doch der Körper einer Maus oder eines Schweins reagiert anders als der menschliche Körper. Auch Tests an künstlichen oder unsterblichen (immortalisierten) Zellkulturen aus menschlichen Zellen liefern nur bedingt aussagekräftige Ergebnisse. Wissenschaftlern des Fraunhofer-Instituts für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB ist es gelungen, unterschiedliches menschliches Gewebe wie Haut, Leber und Darm herzustellen. Für Medikamententests ist das Lebermodell besonders interessant. Die Besonderheit des Systems: Das "künstliche" Gewebe besitzt ein funktionelles Netzwerk von Blutgefäßen. Fachleute bezeichnen das als 3-D vaskularisiertes Lebermodell.
Doch wie lassen sich dreidimensionale Gewebemodelle mit Blutversorgung herstellen? Die Wissenschaftler nutzen dafür ein Stück eines Schweine-Dünndarms, das über eine Arterie für die Blutzufuhr und eine Vene für die Ableitung verfügt. Dann entfernen sie die tierischen Zellen, so dass neben neben den Proteinen der Bindegewebsschicht nur die Röhren des Gefäßsystems bleiben, das sich wie ein Fächer bis in feinste Kapillare verästelt. Dieses Geflecht kleiden die Wissenschaftler, ähnlich wie beim lebendigen Vorbild, von innen mit menschlichen Endothelzellen aus. So bald im Gefäßsystem künstliches Blut zirkuliert, können auf der Matrix Zellen der unterschiedlichsten Organe heranwachsen. Da das Gewebe über ein eigenes Blutkreislaufsystem verfügt, kann man es im Bioreaktor wochenlang am Leben erhalten. Ein Computer steuert den arteriellen Druck, die Temperatur und Fließgeschwindigkeit.
An dem Lebermodell lässt sich untersuchen, ob beim Abbau der neuen Wirkstoffe etwa giftige Substanzen entstehen, die zu unerwünschten Nebenwirkungen führen. Das Testsystem arbeitet ähnlich wie die menschliche Leber. Über die Arterie gelangen Nährstoffe, Sauerstoff und die zu untersuchenden Wirkstoffe in die künstliche Leber. Dort bauen Leberzellen die Substanzen ab. Über die Vene werden die Stoffwechselprodukte abtransportiert.
"Das Modell ermöglicht erstmals, Medikamente wie im menschlichen Körper, physiologisch mit den Zellen in Kontakt zu bringen und die entstehenden Abbauprodukte nach der Umwandlung durch die Zellen zu analysieren", erläutert Prof. Dr. Heike Mertsching vom IGB. Mit dem Gewebemodell lässt sich sogar untersuchen, ob Langzeiteffekte auftreten und welche Auswirkungen die mehrfache Gabe eines Wirkstoffs hat.
"Das Testsytem hilft frühzeitig in der Medikamententwicklung toxische oder nicht wirksame Substanzen zu identifizieren. Das spart Kosten", so Prof. Mertsching. Weiterer Vorteil: Die Ergebnisse lassen sich besser auf den Menschen übertragen.
Auf der Biotechnika informieren Fraunhofer-Forscher über die dreidimensionalen Gewebesysteme.
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