Technology Review über virtuelles Denken
Forscher simulieren Hirn in einem Computer
Laut seinem Leiter Henry Markram ist das Projekt schon in seinem jetzigen Stadium "mehrere Millionen Mal komplexer als alle Simulationen, die bisher gemacht worden sind". Möglich wird es durch eine Kombination von biololgischer Feinstarbeit und massiver Rechenkraft: Seit zehn Jahren erfassen die Forscher mit Experimenten akribisch das Zusammenspiel der einzelnen Nervenzellen im Rattenhirn. Für die Simulation haben sie einen Superrechner vom Typ "Blue Gene" angeschafft, derzeit auf Platz 13 der Liste der schnellsten Computer weltweit.
Erstes Ziel ist die Simulation eines Verbundes aus 10.000 Nervenzellen, entsprechend etwa einem halben Millimeter Rattenhirn. Das klingt unspektakulär, doch die ausgewählte "kortikale Kolumne" bildet so etwas wie die Basiseinheit jedes Säugetier-Gehirns: Die Zellen sind gemeinsam für eine bestimmte Aufgabe zuständig, doch wie Tierversuche nahe legen, können sie prinzipiell auch andere Aufgaben erledigen. So haben zum Beispiel amerikanische Forscher vor einigen Jahren bei neugeborenen Frettchen die Sehnerven zu dem Teil der Großhirnrinde umgeleitet, der normalerweise Höreindrücke verarbeitet. Die neu verdrahteten Frettchen verarbeiteten nun visuelle Eindrücke mit einem Hirnareal, das dafür ursprünglich gar nicht vorgesehen war.
Noch berechnet die Blue-Gene-Maschine mit jedem ihrer 8192 Prozessoren nur eine Nervenzelle. Für das menschliche Gehirn wären also mindestens zehn Milliarden Prozessoren nötig. Markram setzt bei seinem Ziel, das menschliche Gehirn zu simulieren, auf die Abstraktionsfähigkeit verschiedener Modelle und auf die zunehmende Rechenkraft künftiger Supercomputer. Das menschliche Gehirn, so Markram, besteht zu 80 Prozent aus kortikalen Kolumnen. "Wenn wir erst einmal eine Kolumne haben, dann kann man sie auch vervielfältigen."
Dass pure Rechenkraft und detaillierte Aufzeichnungen wirklich reichen, um irgendwann ein Menschenhirn nachzubauen, halten andere Forscher aber für unwahrscheinlich. Nach Ansicht vieler Theoretiker reicht unser bisheriges Verständnis der Denkprozesse dafür lang nicht aus.
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