Netzwerkanalyse hilft beim Verständnis der Pflanzenentwicklung
Wissenschaftler vom Kölner Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung entwickeln neues Verfahren, das die Einordnung unbekannter Proteinfamilien vereinfacht
Uhrig und sein Team interessierten sich für die in komplexen Netzwerken interagierenden Moleküle von lebenden Pflanzenzellen, auf der ihre Organisation entscheidend basiert. "Proteine in Zellen funktionieren meist nicht für sich alleine, sondern sind in einem komplexen Geflecht von Protein-Interaktionen miteinander verbunden. Viele dieser komplexen Systeme können wir mit Methoden der Netzwerktheorie beschreiben", erklärt Uhrig. Die Kölner Pflanzenforscher haben die Netzwerktheorie nun auf experimentell identifizierte Proteininteraktionen der Proteinfamilie der pflanzlichen Homöodomänen-Proteine angewendet.
Fehlfunktionen dieser Proteine in der Zelle führen häufig zu dramatischen Missbildungen in der Organentwicklung, nicht nur bei Pflanzen, sondern bei allen mehrzelligen Organismen bis hin zum Menschen. Die Wissenschaftler gingen nun der Frage nach, wie diese Proteine in das zelluläre Netzwerk eingebunden sind. Dabei stießen sie auf die Interaktion der Homöodomänen-Proteinfamilie mit der Ovate-Proteinfamilie, einer pflanzlichen Proteinfamilie, die bis dahin noch nicht charakterisiert war. Aus ihren theoretischen Netzwerkdaten zogen die Wissenschaftler den Schluss, dass die Ovate-Proteinfamilie eine zentrale Rolle für die Regulation pflanzlicher Entwicklung spielen sollte. Im Experiment bestätigten die Forscher anschließend ihre Annahme: Nach Ausschalten verschiedener Gene der Ovate-Familie waren die Pflanzen in frühen Entwicklungsstadien beeinträchtigt und nicht lebensfähig. Weitere Experimente unterstrichen eine fundamentale Bedeutung der Ovate-Proteine für die Entwicklung verschiedenster Pflanzenorgane (Blatt, Spross, Blüte) und legen einen entwicklungsgeschichtlich sehr alten funktionellen Zusammenhang zwischen Homöodomänen-Proteinen und Ovate-Proteinen nahe.
Die Entdeckung der Kölner Wissenschaftler stellt in der Pflanzenbiologie ein erstes erfolgreiches Beispiel dar für die neue Denkweise, über die Netzwerktheorie zu experimentell überprüfbaren Hypothesen und damit auch zum Verständnis neuer funktioneller Zusammenhänge zu gelangen. Nachdem die ersten Pflanzengenome der Modellpflanze Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) und der wichtigen Nutzpflanze Reis entschlüsselt sind, kann dieses Konzept den Pflanzenbiologen bei Ihrer Mammut-Aufgabe helfen, die überwältigenden Datenmengen aus Genomanalysen besser zu verstehen und nutzbar zu machen.
Originalveröffentlichung: J. Hackbusch, K. Richter, J. Müller, F. Salamini, J. F. Uhrig; "A central role of Arabidopsis thaliana ovate family proteins in networking and subcellular localization of 3-aa loop extension homeodomain proteins"; PNAS 2005.
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