Experten prüfen Vorschläge der Risikobewertung zur Kontrolle antibiotikaresistenter Keime in Tierbeständen
Bei der Veranstaltung im vergangenen Jahr waren sich die Experten einig, dass sich die Unempfindlichkeit gegen antimikrobiell wirksame Substanzen unter Bakterien ausbreitet. Relevant ist das insbesondere bei solchen Bakterien, die das Tier als Wirt nutzen und beim Menschen Krankheiten auslösen können. Besonders in Studien über Salmonellen- und Campylobacter-Stämme wurde diese Entwicklung beobachtet. Beide Bakterienspezies kommen vor allem über die Lebensmittelkette zum Menschen. Patienten, die sich mit resistenten Erregern infizierten, hatten ein höheres Risiko, innerhalb der nächsten zwei Jahre zu sterben, als Patienten, die durch gegen Antibiotika empfindliche Erreger infiziert wurden. Als weiteres Problem kommt hinzu, dass beim Tier vorkommende Keime ihre Resistenzgene (Erbanlagen, die sie unempfindlich gegenüber antimikrobiell wirksamen Substanzen machen) mit Krankheitserregern austauschen können, die beim Menschen von Bedeutung sind.
Faktoren, die zur Selektion und Ausbreitung resistenter Bakterien im Tier beitragen, sind die Massenmedikation ganzer Herden, die subtherapeutische Dosierung von Antibiotika, die anhaltende antibiotische Behandlung, der Einsatz von Antibiotika mit breitem Wirkspektrum in der Tierhaltung sowie deren prophylaktischer und metaphylaktischer Einsatz.
Bisher konnte noch nicht beziffert werden, in welchem Maß die Verwendung von Antibiotika in der Tierhaltung zur Entwicklung von Resistenzen in Krankheitskeimen beim Menschen beiträgt. Unbestritten ist, dass resistente Keime über tierische Lebensmittel und Produkte auf den Menschen übertragen werden können. Welche Gefahren hier lauern, haben die Experten klar benannt: Neben Infektionen, die tödlich enden können, sind es vor allem eine längere Krankheitsdauer von Patienten, die Notwendigkeit der Behandlung im Krankenhaus (Hospitalisierung) und das Risiko, infolge einer geschwächten körpereigenen Abwehr anfällig für andere gefährliche Infektionserkrankungen zu werden.
"Die Experten schätzen, dass in Deutschland jährlich cirka 250 Fälle von Salmonellosen auftreten, bei denen eine notwendige antibiotische Behandlung nicht mehr anschlägt. Rund 10 Prozent dieser Infektionen enden tödlich", schildert Professor Hensel die Situation. Sorge bereitet vor allem, dass die Zahl der Bakterienstämme wächst, die multiresistent sind, also mehreren Antibiotika widerstehen. Diesem Trend sollte aus Sicht der Risikobewertung durch ein Bündel von Maßnahmen begegnet werden. Als erste Option werden Maßnahmen empfohlen, die dazu beitragen, dass der Einsatz der Antibiotika insgesamt eingeschränkt wird. Im Bereich der Tierhaltung gehören hierzu verbesserte Haltungsbedingungen. Insbesondere dort, wo - wie in der Hühner-, Puten- und Schweineproduktion - viele Tiere auf engem Raum gehalten werden, muss durch entsprechende Hygiene- und Impfmaßnahmen präventiv die Tiergesundheit verbessert werden. Des Weiteren sollten antimikrobiell wirksame Substanzen in der Tierproduktion gezielter eingesetzt werden. Im Klartext heißt das: Es muss vorher ermittelt werden, welcher Erreger im Bestand vorhanden ist und auf welches Antibiotikum er reagiert. Die Schrotflinte des Breitspektrumantibiotikums ist hier durch das Präzisionsgewehr des sorgfältig ausgewählten und passenden Wirkstoffes zu ersetzen.
Grundsätzlich sollten moderne, hochwirksame Substanzen, die auch in der Humanmedizin verwendet werden, wie die Fluorchinolone und Cephalosporine der dritten und vierten Generation, nur für die Behandlung einzelner Tiere verwendet werden. Diese Therapien sollten auch nur bei strenger Indikation und nur dann mit solchen Medikamenten erfolgen, wenn die Erreger gegen andere Antibiotika resistent sind. Es ist auch zu überlegen, ob bei wirklich neuen Antibiotika keine Zulassung für den Einsatz in der Tiermedizin mehr erteilt wird.
Diese Vorschläge des BfR und die anderer nationaler und internationaler Experten werden auf dem Symposium hinsichtlich ihrer Umsetzbarkeit in praktische Maßnahmen kritisch geprüft.