NGFN-Forscher entdecken Ansatzpunkt für Medikamente gegen Chorea Huntington
Chorea Huntington, auch "Veitstanz" genannt, ist aufgrund ihrer Symptome eine der unheimlichsten Erbkrankheiten des Menschen: überheftige Bewegungen, torkelnder Gang, das Gesicht zu Grimassen verzerrt. Die Krankheit beruht auf einem genetischen Defekt in dem Protein Huntingtin: In den Eiweiß-Fabriken der Zelle werden zu viele Exemplare des Bausteins Glutamin ans Ende der Huntingtin-Bausteinkette geknüpft. Durch diesen Fehler im Erbgut verliert das Protein seine normale Struktur, bildet filzige Knäuel und vergiftet die umliegenden Nervenzellen. Neben dem fehlerhaften Huntingtin sind aber auch noch andere Proteine, am Entstehen dieser Nervenerkrankung beteiligt.
Prof. Wanker und sein Team vom Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch und vom Max-Planck-Institut für Molekulare Genetik (MPI-MG) Berlin-Dahlem haben nun Licht in die komplizierten Zusammenhänge der Krankheit gebracht: Sie erstellten einen detaillierten Katalog der Protein Wechselwirkungen, die beim Veitstanz eine Rolle spielen. In diesem Katalog sind 86 Proteine aufgeführt, die mit Huntingtin direkt oder indirekt in Verbindung stehen.
Die NGFN-Forscher stellten fest, dass eines dieser Proteine die Ablagerung von fehlerhaftem Huntingtin fördert. Es handelt sich um das Protein GIT1, das normalerweise bei der Koordination von Signalen in der Zelle eine wichtige Rolle spielt. Damit haben die Wissenschaftler einen möglichen Ansatzpunkt für Medikamente gegen den Veitstanz entdeckt.
Außerdem fanden sie sechs Protein-Partner von Huntingtin, über deren Funktion man bisher noch nichts wusste, darunter das Eiweiß HIP5. Die neuen Forschungsergebnisse liefern Hinweise darauf, dass HIP5 in der Zelle ein Nachrichtenübermittler sein könnte und Signale in die Kommandozentrale der Zelle, den Zellkern, weiterleitet. Denn HIP5 arbeitet mit anderen Komponenten des zelleigenen Nachrichten-Übermittlungssystems zusammen, wie man nun aus dem von den NGFN-Wissenschaftlern erstellten Katalog ablesen kann. "Wir werden das Zusammenspiel der Eiweiße nun noch genauer untersuchen", sagt Professor Wanker. "So können wir weitere Ansatzpunkte für eine wirksame Therapie finden."
Für ihre Untersuchungen verwendeten die NGFN-Wissenschaftler einen raffinierten Test: das so genannte Hefe-2-Hybrid-System. Prof. Wanker hat diese molekularbiologische Technik automatisiert und ein effizientes Hochdurchsatzverfahren etabliert. Nur so war es möglich, in kurzer Zeit Hunderte von Proteinen daraufhin zu überprüfen, ob sie an Huntingtin binden und mit diesem zusammen Funktionen ausüben.
Die Förderung durch das NGFN trug maßgeblich dazu bei, dass diese eindrucksvollen Erfolge bei der Suche nach Krankheitsursachen für den Veitstanz erzielt werden konnten. Seit 2001 unterstützt das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des Nationalen Genomforschungsnetzes die Entwicklung und Anwendung von Hochdurchsatzverfahren, die es ermöglichen, die Funktionen von Proteinen und Genen systematisch im großen Umfang und zu vertretbaren Kosten zu erforschen.
Die Forschungsergebnisse sind in der Fachzeitschrift "Molecular Cell" veröffentlicht.