Comeback eines Wirkstoffes
Forschungsgruppe an der Universität München entdeckt weiteres Einsatzgebiet von Suramin
Heute unter der Bezeichnung Suramin bekannt, hat sich das Medikament inzwischen in der Behandlung vieler Leiden als nützlich erwiesen. Es wirkt nicht nur gegen die Schlafkrankheit, sondern auch gegen Flussblindheit, eine tropische Wurmerkrankung, und gegen manche Tumorarten. Ebenso untersuchen Forscher seinen Einfluss auf eine HIV-Infektion. Jetzt macht der in die Jahre gekommene Filmstar wieder von sich reden.
Eine Arbeitsgruppe um Sören Eichhorst und Alexander Gerbes an der Medizinischen Klinik II des Klinikums der Universität München hat offensichtlich ein neues mögliches Einsatzgebiet entdeckt: akutes fulminantes Leberversagen, eine meist tödlich verlaufende Leberfunktionsstörung, die zum Beispiel durch Medikamente, Pilzvergiftungen oder Infektionen mit dem Hepatitis-B-Virus verursacht wird.
Bei einem Drittel aller Patienten mit Leberversagen lässt sich überhaupt kein bekannter Auslöser feststellen. Bei Leberversagen stirbt die Mehrheit der Leberzellen in Folge eines Prozesses, der als Apoptose bezeichnet wird. Dieses Selbstmordprogramm gehört zum Inventar jeder Zelle; an sich ist es ein lebenswichtiger Schutzmechanismus, etwa gegen geschädigte Zellen, die zum Tumor auswachsen könnten. Gegen den geballten Zelltod, wie er bei Leberversagen auftritt, sind die Mediziner bislang machtlos. Der neue Hoffnungsträger Suramin könnte das ändern.
Die anti-apoptotische Wirkung des von der Firma Bayer entwickelten Medikamentes untersuchte der Mediziner Eichhorst zunächst an Zellkulturen. Er entdeckte, dass Suramin manche Zelltypen vor Apoptose schützen kann, darunter auch Leberzellen. Neugierig geworden, ging der Forscher daran, bei Mäusen Apoptose auszulösen und so akutes Leberversagen hervorzurufen. 40 Prozent der mit dem Medikament behandelten Mäuse starben nicht, ihre Leber zeigte nicht das für Leberversagen typische Aussehen. Somit könnte Suramin eine neue Rolle in der Behandlung akuten Leberversagens zukommen.
"Da das Präparat bereits für andere Indikationen zugelassen ist, sind Dosierungen und Nebenwirkungen bekannt und müssen nicht in zusätzlichen Studien bestimmt werden; das könnte die Zeit bis zu einem möglichen Comeback des Wirkstoffs verkürzen", betont Professor Dr. Alexander Gerbes.
Dr. Eichhorst und seine Mitstreiter untersuchen, worauf der anti-apoptotische Effekt genau beruht. Klar ist nur, dass Suramin die Aktivierung bestimmter Enzyme verhindert, die die Zelle zum Starten des Selbstmordprogramms benötigt. In naher Zukunft sollen im Rahmen einer klinischen Studie die ersten Patienten mit Leberversagen Suramin bekommen. Sind die Ergebnisse ähnlich gut wie am Mausmodell, dürfte einer Ausweitung der Indikation nichts im Wege stehen.
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