Antikrebs-Moleküle als Trojanische Pferde
Nach wie vor sind die Nebenwirkungen bei einer Chemotherapie eines der größten Hindernisse in der Krebsbehandlung. Die eingesetzten Wirkstoffe unterscheiden nämlich nicht zwischen Freund und Feind: Sie bekämpfen alle sich teilenden Zellen, aggressive Metastasen genauso wie gesunde Zellen, etwa in der Kopfhaut. Haarausfall ist dabei noch eine der eher harmlosen Nebenwirkungen. Ein vordringliches Ziel der Krebsmediziner ist es daher, entartete Zellen gezielt zu bekämpfen, möglichst bevor sie zu einem Tumor herangewuchert sind. So nehmen die Wissenschaftler zum Beispiel übermäßig aktive Gene ins Visier, die Krebszellen gegen Chemotherapeutika resistent machen, und unterdrücken sie mit so genannten Antisense-Oligonukleotiden. Allerdings sind diese Gen-Blocker an molekularen Maßstäben gemessen recht groß und haben es schwer, in die Zellen einzudringen. Zudem greifen auch sie entartete und normale Zellen gleichermaßen an - Nachteile, die einer klinischen Anwendung der Antisense-Oligonukleotide bisher im Weg stehen.
Dem Team um Professor Michael Eisenhut, Abteilung Radiochemie im DKFZ, Privatdozent Walter Mier, Radiologische Klinik der Uni Heidelberg und Professor Uwe Haberkorn, Klinische Kooperationseinheit Nuklearmedizin, DKFZ, gelang es nun, Antisense-Oligonukleotide gezielt in Tumorzellen einzuschleusen. Dazu koppelten die Wissenschaftler ihre krebshemmenden Antisense- Oligonukleotide an eine künstliche Substanz, die wie ein molekularer Schlüssel in das Schloss des Somatostatin-Rezeptors passt, der sich vermehrt auf der Hülle von Tumorzellen befindet. Auf diese Weise als molekulare Trojanische Pferde getarnt, ließen sich die Antisense-Oligonukleotide von den Somatostatin-Rezeptoren ins Innere der Tumorzellen verfrachten.
Bisher war es mit dieser Methode nur möglich gewesen, kleine Moleküle in Zellen zu bugsieren, etwa Zytostatika, welche die Zellteilung unterdrücken, oder Radioisotope zur inneren Bestrahlung. "Unsere Methode zeigt, dass es möglich ist, auch größere Moleküle gezielt im Tumorgewebe anzureichern", sagt Eisenhut. "Als nächstes untersuchen wir in Tierversuchen, ob die molekularen Trojaner die Therapie mit Zytostatika verbessern könnten."
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