Autophagie löst Autoimmunerkrankung aus

14.12.2017 - Schweiz

Durch Autophagie bauen Zellen ihre eigenen Bestandteile ab und verwerten diese. UZH-Forschende zeigen nun, dass Autophagie in bestimmten Abwehrzellen dazu führt, dass das Immunsystem körpereigene Bestandteile des zentralen Nervensystems angreift. Dank den Erkenntnissen suchen die Wissenschaftler nach neuen Ansätzen, um Autoimmunerkrankungen wie die Multiple Sklerose zu behandeln.

Autophagie bezeichnet einen fundamentalen Recyclingprozess von Zellen – sowohl bei Hefepilzen, und Pflanzen wie auch bei Tieren und Menschen. Der Vorgang dient Zellen dazu, ihre eigenen Bestandteile abzubauen und so Energiereserven zu mobilisieren, damit sie sich an Hungersituationen anpassen können. Zudem spielt die Autophagie eine wichtige Rolle darin, wie die Immunantwort eines Organismus gesteuert wird. Fehler in den Kontrollmechanismen führen dazu, dass das Abwehrsystem körpereigene Bestandteile angreift und zerstört. Resultat solcher fehlgeleiteten Immunreaktionen sind Autoimmunerkrankungen wie die Multiple Sklerose.

Ohne Autophagie-Protein keine Autoimmunreaktion

Einen weiteren Aspekt der zellulären «Selbstverdauung» haben jetzt Neuroimmunologen unter der Leitung von Jan Lünemann vom Institut für Experimentelle Immunologie der Universität Zürich nachgewiesen: Autophagie-Eiweisse sind mitverantwortlich dafür, dass in einem Mausmodell der Multiplen Sklerose Autoimmunprozesse ausgelöst werden. Schalteten die Forschenden das Autophagie-Protein ATG5 in bestimmten Immunzellen genetisch aus, fanden sich in den Mäusen deutlich weniger pathologische T-Zellen im zentralen Nervensystem. Resultat: Die Tiere entwickelten keine Entzündungen von Gehirn und Rückenmark vergleichbar mit jenen bei der Multiplen Sklerose.

Immunzellen erkennen Nervenzellen als Angriffsziel

Wie die Forschenden nun zeigen, nimmt das Autophagie-Protein ATG5 eine essentielle Funktion ein, wenn während Entzündungsprozessen im zentralen Nervensystem Myelin-Antigene den Immunzellen präsentiert werden. «Diese Reaktivierung ist vermutlich entscheidend an der Entstehung von Autoimmunität im zentralen Nervensystem beteiligt», sagt Christian Keller, Erstautor der Studie. Bei der Multiplen Sklerose, eine der häufigsten Autoimmunkrankheiten, richten sich T-Zellen gegen die Myelinhülle der körpereigenen Nervenfasern. Aktiviert werden die Abwehrzellen sobald sie mit Antigen-präsentierenden Zellen in Kontakt treten. Für die Antigen-Präsentation sind dendritische Zellen zuständig. Kommt es zu Schädigungen der Myelinhülle, verdauen die dendritischen Zellen via Autophagie die Isolationsschicht und präsentieren Teile davon pathologischen T-Zellen, die in den Entzündungsherd eindringen. «Damit befördern sie den Krankheitsverlauf», so Keller.

Basierend auf den aktuellen Ergebnissen plant das Team, in Gewebeproben von MS-Patientinnen und -patienten zu erforschen, ob die Autophagie in bestimmten Immunzellen besonders aktiv ist. «Längerfristig wollen wir abklären, ob sich diese neuen Erkenntnisse zur Immunpathologie nutzen lassen, um neue Therapien gegen die Multiple Sklerose zu entwickeln», fasst Jan Lünemann zusammen.

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