Parkinson: Neue Protein-Interaktionen erklären Defizite im Erinnerungsvermögen

26.10.2017 - Deutschland

Gebeugte Haltung, schlurfender Gang und ein maskenhafter Gesichtsausdruck sind sichtbare Auswirkungen der Parkinson’schen Erkrankung. Doch neben diesen Einschränkungen in der Motorik kommen im Laufe der Erkrankung auch Defizite im Erinnerungsvermögen hinzu.   

Wissenschaftler des Göttinger Exzellenzclusters und DFG-Forschungszentrum für Mikroskopie im Nanometerbereich und Molekularphysiologie des Gehirns (CNMPB) der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) und Forscher des Instituto de Medicina Molecular (iMM, Lissabon) beschreiben einen neuen Ansatzpunkt für die Entwicklung therapeutischer Ansätze zur Behandlung der kognitiven Begleiterscheinungen bei der Parkinson’schen Erkrankung.

Im Tiermodell der Parkinson’schen Erkrankung zeigt das Forscherteam aus Göttingen und Lissabon erstmals detailliert einen molekularen Signalweg, der zur Entwicklung kognitiver Defizite führt, die denen bei der Parkinson’schen Erkrankung ähneln. Die Aktivierung dieses Signalwegs erfolgt durch die Interaktion abnormaler Formen des alpha-Synuklein Proteins mit dem Prionprotein (PrPC). Von diesem Prionprotein war bereits bekannt, dass es an Prozessen beteiligt ist, die zu altersbedingten Verhaltensabnormitäten und Beeinträchtigungen des Erinnerungsvermögens bei Neurodegeneration führen. Durch die Wechselbeziehung zwischen alpha-Synuklein und PrPC wird eine Kaskade von Prozessen in Gang gesetzt, die schließlich zu Störungen an den Kontakten zwischen Nervenzellen, den Synapsen, führt. Die Folge: Die Kommunikation der betroffenen Nervenzellen ist beeinträchtigt, die Entstehung kognitiver Defizite wird begünstigt. Darüber hinaus zeigen die Autoren erstmals, dass die Blockierung dieses nachgeschalteten Signalwegs durch genetische Manipulation oder den Einsatz von Antikörpern die abnormale neuronale Aktivität und die Erinnerungsdefizite umkehren können.

„Wir wissen nun, dass die Parkinson Krankheit weit mehr ist als eine motorische Erkrankung. Dass bestimmte Formen des alpha-Synuklein Proteins Fehlfunktionen bei der Kommunikation von Nervenzellen verursachen können, die für das Erinnerungsvermögen zuständig sind, war uns bekannt. Wie genau war bisher unklar. Nun wissen wir mehr über die molekularen Mechanismen. Damit eröffnen sich neue therapeutische Ansätze für die Prävention und Behandlung der Parkinson’schen Erkrankung”, sagt Prof. Dr. Tiago Outeiro, Direktor der Abteilung für Experimentelle Neurodegeneration an der Universitätsmedizin Göttingen, Koordinator der Studie und Senior-Autor der Publikation.

Forschungsergebnisse im Detail

Das Protein alpha-Synuklein hat eine Schlüsselrolle im Geschehen, das zu der Parkinson’schen Erkrankung führt. Es wird von Nervenzellen freigesetzt und auf andere übertragen. Die außergewöhnliche Ansammlung von Verklumpungen (Aggregaten) des Proteins alpha-Synuklein in Nervenzellen im Gehirn ist ein Markenzeichen der Parkinson‘schen Erkrankung. Diese bewirkt das Auftreten von Störungen in der Signalübertragung zwischen Nervenzellen im Gehirn. Als Folge solcher Kommunikationsstörungen kommt es zum Absterben von Nervenzellen im Gehirn.

Bisher wurde angenommen, dass das Protein alpha-Synuklein in verschiedenen Zuständen (Monomere, Oligomere, Fibrillen) auch in den extrazellulären Raum, also in die Zellzwischenräume, gelangt. Dort könnte es auf nachgeschaltete Synapsen wirken und auf diese Weise die Kommunikation zwischen den Nervenzellen und die neuronale Wandelbarkeit beeinträchtigen.

Bereits in einer früheren Studie konnten die Autoren zeigen, dass das zelluläre Prionprotein PrPC an der Zelloberfläche als Bindungspartner für Proteinaggregate, wie die alpha-Synuklein-Oligomere, dient. Nun konnten die Autoren erstmals die direkte Wechselwirkung von alpha-Synuklein und PrPC beweisen. Sie beschreiben einen neuen Mechanismus, der ausreicht, um frühe Schäden an den Synapsen von Nervenzellen zu initiieren, die allein durch extrazelluläres alpha-Synuklein verursacht werden. Die Interaktion setzt eine Signalkaskade in Gang, die zu einer Fehlregulation des Calcium-Haushalts und einer Fehlfunktion der Synapsen von Nervenzellen im Gehirn führt. Die Inaktivierung des Proteins durch genetische Manipulation oder den Einsatz von Antikörpern hebt den toxischen Effekt der alpha-Synuklein-Oligomere auf. Dieses Ergebnis konnte nicht nur in Zellkulturexperimenten, sondern sogar im lebenden Modell nachgestellt werden.

Die Autoren konnten weitere Details der Signalkaskade aufdecken, die durch die Interaktion von alpha-Synuklein und PrPC in Gang gesetzt wird. Der physische Kontakt zwischen den alpha-Synuklein-Oligomeren und PrPC erfolgt über den Glutamatrezeptor mGluR5. In Folge seiner Aktivierung werden zunächst eine Fyn-Kinase und anschließend der NMDA-Rezeptors 2B aktiviert. In einem Maus-Modell für Parkinson bleiben die synaptischen und kognitiven Defizite aus, wenn dieser Signalweg blockiert wird. Dieses Ergebnis eröffnet völlig neue Ansätze für die Therapie der Parkinson’schen Erkrankung.

Fazit: Die vorliegende Studie belegt erstmals, dass ein Rezeptor-vermittelter Mechanismus ausreicht, um frühe synaptische Schäden auszulösen, die durch extrazelluläres alpha-Synuklein verursacht werden. Dies könnte Teil eines normalen biologischen Vorgangs aber auch Teil des Krankheitsverlaufs bei Parkinson oder anderen Synukleinopathien sein.

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