Fast die Hälfte aller neuen Medikamente floppt
Studie zu Produkteinführungen in der Pharmaindustrie
Die Ergebnisse der Studie „How to Make Your Drug Launch a Success“ sind umso dramatischer, da neue Produkte im Jahr 2021 bis zu 80 Prozent des Gesamtumsatzes der Arzneimittelhersteller ausmachen werden. Zudem hat sich der Zeitraum deutlich verkürzt, in dem ein neues Medikament seine Alleinstellung nutzen kann, um die Entwicklungskosten hereinzuholen. Lag dieses Zeitfenster im Jahr 2000 noch bei durchschnittlich acht Jahren, ziehen Wettbewerber heute im Schnitt schon vier Jahre später mit konkurrierenden Angeboten nach.
Neue Methode für mehr Markterfolg
Auf Grundlage einer Befragung von 100 Produktmanagern bei den weltweit 20 wichtigsten Pharmafirmen hat Bain die drei entscheidenden Faktoren für einen gelungenen Markteintritt neuer Pharmazeutika herausgearbeitet. Erfolgreiche Unternehmen differenzieren demnach ihr Produkte durch den einzigartigen Nutzen für Patienten und Mediziner. Sie gewinnen die Ärzte, die das Medikament verschreiben, als Botschafter für ihr Präparat und organisieren die Einführungsphase strategisch straff durch.
„Überzeugende Marktdaten und ein ausreichendes Marketingbudget genügen heute nicht mehr, um ein Medikament erfolgreich zu lancieren“, erklärt Christoph Schlegel, Partner bei Bain & Company und Co-Autor der Studie. „Die verantwortlichen Produktmanager müssen im hart umkämpften Pharmamarkt für ihr neues Arzneimittel Überzeugungsarbeit an vielen Fronten leisten.“
Strategisches Vorgehen bei der Produkteinführung
Mit Blick auf die drei zentralen Aspekte einer erfolgreichen Markteinführung eines neuen Medikaments empfiehlt Bain im Detail:
- Intensive Kommunikation. Die Ergebnisse der klinischen Phase-III-Tests allein begeistern heute weder Ärzte noch Krankenversicherungen oder Regulatoren für ein neues Präparat. Eine wirklich überzeugende Botschaft enthält deshalb neben der medizinischen Validierung den weiteren Zusatznutzen des Produkts. Das können ökonomische Faktoren sein wie ein günstiger Preis, Sicherheitsaspekte wie eine einfache Anwendung oder auch emotionale Elemente wie eine stark verbesserte Lebensqualität. Gute Produktmanager liefern zudem nach der Markteinführung regelmäßige Informationen zu dem Medikament und halten es beispielsweise durch Studien im Gespräch. Zusatzdienste für Ärzte und Patienten, beispielsweise eine Community in sozialen Netzwerken, können ebenfalls effektiv sein. Es gilt: Die Post-Launch-Phase muss ebenso gründlich geplant und vorbereitet werden wie der eigentliche Markteintritt.
- Permanente Beziehungspflege. Mindestens 40 Prozent der Präferenzen, die Mediziner für ein bestimmtes Präparat hegen, hängt von anderen Faktoren ab als den reinen Produktdaten. So schätzen es Ärzte, wenn ein Hersteller medizinische Fragen schnell und präzise beantwortet, bei der Identifikation neuer Patientengruppen Hilfestellung leistet oder die Beteiligten miteinander vernetzt. Vorreiterfirmen wenden sich dabei nicht nur an die Meinungsführer in der Ärzteschaft, sondern auch an die breite Masse der Mediziner, die so im täglichen Praxisbetrieb zu Botschaftern eines Produkts werden können.
- Eigenständiges, abteilungsübergreifendes Team. Wichtigste Voraussetzung für einen gelungenen Markteintritt ist ein koordiniertes Vorgehen im Unternehmen. Marktzugang, Patientendienste, medizinischer Service, Rechtsabteilung, Marketing und Vertrieb müssen eng aufeinander abgestimmt werden. Deshalb organisieren erfolgreiche Firmen die Produktneueinführung in Form eines „Unternehmens im Unternehmen“. Dieses selbstständige Team mit Mitarbeitern aus allen Abteilungen entscheidet eigenverantwortlich, wie Patienten und Ärzte am besten bedient oder das Medikament optimal positioniert werden kann.
„Der Erfolg eines neuen Medikaments hängt weitgehend von der Orchestrierung der Markteinführung ab“, betont Bain-Experte Schlegel. „Ein reines Abhaken von Checklisten ist nicht zielführend. Vielmehr muss das Top-Management dem Launch-Team die Möglichkeit geben, die perfekte Startstrategie für jedes Produkt selbst zu gestalten.“