Entzündungshemmende Birkeninhaltsstoffe nachhaltig nutzen

Interdisziplinäres Forschungsprojekt untersucht Methylsalicylat-Gehalte verschiedener Birkenarten

04.07.2017 - Deutschland

Vor wenigen Tagen ist das disziplinübergreifende Forschungsprojekt »Methylsalicylat in Birken« (Birch-MeSA) zur nachhaltigen Nutzung des natürlich in manchen Birkenarten vorkommenden entzündungshemmenden Wirkstoffs Methylsalicylat (kurz: MeSA) an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) gestartet. Ziel der Kieler Forschenden unter der Leitung des Instituts für Landwirtschaft­liche Verfahrenstechnik (ILV) an der CAU ist es, Alternativen zur synthetischen Herstellung des Wirkstoffs und zugleich nachhaltige Formen des Birkenanbaus zu entwickeln. Dazu hat sich das Kieler Forschungsteam um Dr. Christian Moschner und Professor Eberhard Hartung sowie Marieke Nissen und Kiran Singewar vom ILV mit Kollegen vom Thünen-Institut für Forstgenetik, Großhansdorf, vom JKI – Institut für ökologische Chemie, Pflanzenanalytik und Vorratsschutz, Berlin, und vom Centrum Industrielle Biotechnologie (CIB) an der Fachhochschule Lübeck zusammengetan. Bis 2020 stehen den Forschenden gut 350.000 Euro aus Mitteln des schleswig-holsteinischen Umweltministeriums zur Verfügung, um Grundlagen für die wirtschaftlich sinnvolle Nutzung des Methylsalicylats aus Birken zu entwickeln.

Christian Urban, Universität Kiel

Dr. Christian Moschner (Mitte), Marieke Nissen und Kiran Singewar von der Uni Kiel wollen Birkenarten mit einem hohen Gehalt an Methylsalicylat als Grundlage künftiger Kultursorten identifizieren.

Methylsalicylat kommt wegen seiner entzündungshemmenden Wirkung in diversen Arzneimitteln zum Einsatz und hilft zum Beispiel bei Muskel- und Gelenkschmerzen oder rheumatischen Beschwerden. Der Wirkstoff wird in der pharmazeutischen Industrie zum größten Teil auf synthetischem Wege hergestellt. Eine alternative Nutzung natürlichen Methylsalicylats böte aber verschiedene Vorteile, vor allem eine umweltfreundlichere Produktionsweise und die Schaffung von landwirtschaftlichen Erwerbsquellen aus nachhaltigen Wirtschaftsformen. Eine grundlegende Herausforderung bei der Gewinnung des Stoffes aus Birken ist allerdings der von Natur aus unterschiedliche MeSA-Gehalt in den Pflanzen - ein Problem, das bei der Nutzung von Naturstoffen für die Arzneimittelherstellung grundsätzlich besteht.

Um diesem Phänomen zu begegnen, wollen die Kieler Wissenschaftler zunächst den Ursachen für die unterschiedlichen MeSA-Gehalte in verschiedenen Birkenarten auf den Grund gehen. Zum Teil ist es darin begründet, dass weltweit zwischen 30 und 60 Birkenarten vorkommen, die noch dazu häufig miteinander gekreuzt sind. Hinsichtlich des Gehalts an Pflanzeninhaltsstoffen ist also oftmals nicht klar, von welchen Birken mit welchen Eigenschaften im Einzelfall die Rede ist. Daher wollen die Forschenden zunächst die Verwandtschaftsbeziehungen dieser Vielzahl an Birkenarten klären. Zum Beispiel mit Hilfe von molekulargenetischen Methoden möchten sie daraufhin diejenigen Birkenarten identifizieren, die für die MeSA-Gewinnung besonders geeignet sind. „Wir hoffen, ein schnell einsetzbares Screening-Verfahren zu entwickeln, mit dem wir Birkenarten mit einem hohen MeSA-Gehalt als Grundlage für die Züchtung von ertragreichen Kultursorten sicher bestimmen können“, erklärt der Projektverantwortliche Moschner.

Neben der Gewinnung der Inhaltsstoffe wird auch der Anbau der Birke als Nutzholz zunehmend interessant. Der Rohstoff Holz an sich gewinnt derzeit stark an Bedeutung, insbesondere durch seine Verwendung als nachwachsender Energieträger zum Beispiel in Form von Pellets oder Holzhackschnitzeln zur Wärmegewinnung. Die steigende Nachfrage an forst- und landwirtschaftlicher Biomasse zur nachhaltigen Energiegewinnung könnte zusätzlich durch sogenannte Kurzumtriebsplantagen (KUP) gedeckt werden. Dort kann in relativ kurzer Zeit viel Biomasse produziert werden; die robuste und schnellwachsende Birke bietet sich wie auch Weide, Pappel und Robinie für diese Art der Kultur besonders an.

Eine mögliche Perspektive für Agrarbetriebe könnte also die Erwirtschaftung gesteigerter Erträge dank kombinierter Wirkstoff- und Holzproduktion auf landwirtschaftlichen Flächen sein. Birkenplantagen hätten außerdem eine Reihe ökologischer Vorteile: Im Kern beruhen sie darauf, dass die Ackerfläche bei mehrjährigen Baumkulturen nicht jährlich umgepflügt wird und in ihnen eine größere biologische Vielfalt herrscht. So ist zum Beispiel der Boden vor dem Abtrag durch Wind- und Wasser besser geschützt, eine verstärkte Humusbildung verbessert die Bodenqualität und die Nutzung des Holzes zur Energiegewinnung hilft, CO2-Emissionen aus fossilen Brennstoffen zu vermeiden.

„In unserem interdisziplinären Forschungsprojekt wollen wir gemeinsam mit unseren Partnern die Machbarkeit des dualen Konzepts von Wirkstoffgewinnung und Holzproduktion aus Birkenplantagen belegen. Daraus entwickeln sich womöglich neue Erwerbsperspektiven für heimische landwirtschaftliche Betriebe“, fasst Moschner zusammen. Nach erfolgreichem Projektabschluss, so hoffen die Beteiligten, interessieren sich Unternehmen aus der Pharmabranche potenziell für diese Art der Gewinnung natürlicher Wirkstoffe für die Arzneimittelproduktion.

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