Vesikel-Origami: Phosphorhaltiges Fettmolekül bildet von selbst würfelförmige Strukturen

06.06.2017 - Deutschland

Zum ersten Mal haben Wissenschaftler ein phosphorhaltiges Fettmolekül beobachtet, das von selbst Würfel bildet. Untersuchungen an dem sogenannten Phospholipid, die unter anderem bei DESY durchgeführt wurden, zeigten, dass spezielle Bindungen in dem synthetischen Molekül für die besondere Form verantwortlich sind. Phospholipide spielen eine wichtige Rolle im Organismus und bilden unter anderem die Zellmembranen im Körper. Das Ergebnis verbessert daher das Verständnis der Kräfte, die in Biomembranen wirken, und könnte neue Möglichkeiten in der Medizin eröffnen. Die Forscher um Andreas Zumbühl von der Universität Fribourg in der Schweiz stellen ihre Ergebnisse in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift „Angewandte Chemie“ vor.

Moser Graphic Design moser.ch

Künstlerische Darstellung eines Phospholipid-Würfels. Die Moleküle sind so eng gepackt, dass sich die Membranen kaum krümmen. Dadurch entsteht die Würfelform.

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Derartige Phospholipid-Würfel könnten vielleicht einmal für den zielgerichteten Transport von Medikamenten verwendet werden. Weil die Kanten des Würfels Schwachstellen sind, die beispielsweise durch Schütteln oder höheren Druck geöffnet werden, können eingeschlossene Stoffe gezielt freigesetzt werden.

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Wegen ihrer besonderen chemischen Struktur bilden Phospholipide von selbst Membranen, die aus zwei zusammenhängenden Schichten von Molekülen bestehen. So sind sie ein Hauptbestandteil der Biomembran, die die einzelnen Bestandteile in Zellen abtrennt. Phospholipide können als Membran auch von selbst dreidimensionale geschlossene Strukturen bilden, beispielsweise in Wasser. Dort bilden sie sogenannte Vesikel.

Normalerweise sind diese Vesikel kugelförmig, um die Oberflächenspannung möglichst gering zu halten. Das jetzt untersuchte 1,2-Diamidophospholipid bildet jedoch bei Raumtemperatur würfelförmige Vesikel, wie die Forscher beschreiben. Das liegt daran, dass dieses Phospholipid sehr eng gepackte und dadurch sehr steife Schichten bildet, die sich fast nicht krümmen lassen. Dafür sind spezielle Bindungen verantwortlich, sogenannte Wasserstoffbrücken, die den Abstand zwischen den Molekülen minimieren. In der dreidimensionalen Form bildet die Membran weiterhin vor allem flache Strukturen und möglichst wenige Kanten, dadurch entsteht ein Würfel.

Durch die besondere Struktur könnte das Phospholipid interessant für medizinische Anwendungen sein, beispielsweise für den zielgerichteten Transport von Medikamenten zu bestimmten Stellen im Körper. „Die Kanten des Würfels werden nur durch die äußere Molekülschicht gebildet, die innere Schicht hat hier eine Lücke. Dort besteht also sozusagen eine Sollbruchstelle, die beispielsweise durch Schütteln geöffnet werden kann“, erklärt Zumbühl. Dadurch kann ein vorher im Würfel eingeschlossenes Medikament gezielt freigesetzt werden. „Man könnte beispielsweise ein Medikament einschließen, das Blutgerinnsel auflöst, um es als Soforthilfe nach einem Herzinfarkt zu verwenden. In einer verschlossenen Arterie würden hohe Scherkräfte auf die Würfel wirken, wodurch das Medikament genau dort freigesetzt wird und helfen kann“, sagt Zumbühl. Für eine solche Anwendung ist der jetzt untersuchte Würfel allerdings noch nicht geeignet, er ist zu fragil.

Für das Forscherteam ist das untersuchte Phospholipid vor allem ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einem großen Ziel: „Wir wollen verstehen, welche Kräfte in der Membran aktiv sind, damit wir sie später gezielt beeinflussen können. Dann könnten wir Phospholipide als eine Art Baumaterial verwenden, um gezielt Strukturen auf Zellebene zu bauen“, sagt Zumbühl. Um die Phospholipide genau zu verstehen, synthetisieren die Forscher bestimmte Moleküle und ändern dabei immer wieder leicht die Struktur und Eigenschaften, um die Auswirkungen zu beobachten. Denn bei den Phospholipiden hat eine kleine Änderung der Struktur große Auswirkungen.

Die Messstation P08 an DESYs Röntgenlichtquelle PETRA III wurde speziell für diese Art der Strukturuntersuchungen an der Grenzschicht zwischen Luft und Wasser weiterentwickelt. „Durch die Optimierung unser Aufbauten und die genaue Ansteuerung der Temperaturen und Drücke auf die Membranen ließ sich sogar der Oberflächendruck einer einzelnen Schicht des 1,2-Diamidophospholipids bestimmen“, berichtet DESY-Forscher Olof Gutowski von der Messstation P08, der diese Messungen ermöglicht hat. Das Ergebnis überraschte die Forscher: „Seit 30 Jahren wird allgemein angenommen, dass der Druck in einer Biomembran relativ hoch ist, ungefähr bei einem Wert von 30 Millinewton pro Meter“, sagt Zumbühl. „In der jetzt untersuchten Membran muss jedoch ein deutlich niedrigerer Druck vorliegen, ungefähr 5 bis 10 Millinewton pro Meter. Dadurch wird diese lange bestehende Regel in Frage gestellt.“

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