Genvariante lässt in Verbindung mit fettreicher Ernährung den Blutdruck steigen
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Das Wissenschaftlerteam um Rita Schüler und Andreas F. H. Pfeiffer vom DIfE veröffentlichte nun seine Ergebnisse in der Fachzeitschrift JAHA - Journal of the American Heart Association. Zu dem Team gehören auch Wissenschaftler der Charité-Universitätsmedizin Berlin, des Universitätsklinikums Jena sowie der HealthTwiSt GmbH Berlin.
ACE steht für Angiotensin-konvertierendes Enzym, das hauptsächlich von Zellen des Lungen- aber auch des Fettgewebes freigesetzt wird. Es wirkt blutdrucksteigernd, da es im Organismus zwei Hauptaufgaben erfüllt: Einerseits überführt es Angiotensin I in seine gefäßverengende Form Angiotensin II. Andererseits beschleunigt es den Abbau des Botenstoffs Bradykinin, der gefäßerweiternd und damit blutdrucksenkend wirkt. Lange Zeit galt in der Medizin, dass die ACE-Spiegel im Blut relativ stabil sind. Wie neuere Untersuchungen jedoch zeigen, sind sie durch eine Gewichtszunahme oder -abnahme zu beeinflussen. Daher stellten sich die an der aktuellen Studie beteiligten Wissenschaftler die Frage, ob auch die Ernährungsweise unabhängig von Körpergewichtsveränderungen Einfluss auf die ACE-Werte im Blut haben könnte und welche Rolle das Erbgut dabei spielt.
Um Antworten auf diese Fragen zu finden, untersuchten die Wissenschaftler 46 gesunde, normal- und übergewichtige Zwillingspaare, da sich an Zwillingen besonders gut genetische Effekte nachweisen lassen. Zu Studienbeginn mussten alle Teilnehmer zunächst eine sechswöchige gesunde Diät einhalten, die sich durch einen hohen Kohlenhydratgehalt und einen geringen Fettgehalt auszeichnete, um die Ernährungsweise der Probanden anzugleichen. Danach schloss sich eine sechswöchige fettreiche Diät an, bei der die Teilnehmer einen deutlich höheren Anteil gesättigter Fette verzehrten. Die Energiezufuhr während der unterschiedlichen Diätphasen blieb jedoch annähernd gleich, sodass die Teilnehmer nur sehr geringfügig zunahmen, was den ACE-Spiegel aber nicht beeinflusste. Sowohl vor, während als auch am Ende der Studie führten die Wissenschaftler verschiedene klinische Untersuchungen durch und analysierten die gewonnenen physiologischen Daten. Die Analyseergebnisse weisen auf eine starke Wechselwirkung zwischen der Ernährung, dem ACE-Gen und dem Blutdruck hin.
„Unsere Studie ist die erste, die zeigt, dass unabhängig von einer Körpergewichtsveränderung eine fettreiche Ernährung innerhalb kurzer Zeit die ACE-Spiegel im Blut um ca. 15 Prozent ansteigen lässt“, sagt Erstautorin Schüler. „Darüber hinaus konnten wir nachweisen, dass nicht alle Menschen in gleicher Weise auf eine hohe Zufuhr gesättigter Fette reagieren. Eine Beobachtung, für die eine bestimmte Variation im Erbgut verantwortlich ist“, so die Forscherin weiter. Wie die Studie zeigt, hatten homozygote Träger der identifizierten Risiko-ACE-Genvariante bereits schon vor der fettreichen Diät höhere ACE-Spiegel im Blut. Zudem stiegen im Vergleich zu den anderen Studienteilnehmern bei den Trägern der Risikovariante unter der fettreichen Diät die ACE-Spiegel doppelt so hoch an. Ebenso hatten sie im Vergleich zu den anderen Personen nach der fettreichen Diät Blutdruckwerte, die um durchschnittlich 9 mmHg höher lagen.
Eine zusätzliche Überprüfung der Resultate anhand der Daten von 365 Studienteilnehmern einer anderen, von der Zwillingsstudie unabhängigen Ernährungsstudie, bestätigte die von den Forschern gemachten Beobachtungen.
„Unsere Erkenntnisse belegen erstmals, dass die Ernährung in Abhängigkeit des ACE-Gens die Blutdruckregulation direkt beeinflusst. Sie könnten in Zukunft dazu beitragen, eine Basis für personalisierte Ernährungsempfehlungen zu erstellen“, sagt Studienleiter Pfeiffer. Sollten sich die Ergebnisse auch in weiteren Studien bestätigen, sei es nicht nur denkbar, dass man das ACE-Gen ähnlich wie den Stoffwechselmarker LDL-Cholesterin als neuen Biomarker verwendet und insbesondere Trägern der Risiko-Genvariante zu einer fettarmen Ernährung rät. Da ACE-Hemmer* zu den Blutdruckmedikamenten der ersten Wahl zählen, wäre es zudem vorstellbar, dass gerade Menschen, die einen grenzwertigen Blutdruck haben, von einer nutrigenetisch definierten Nahrungsauswahl profitieren und vielleicht keine Medikamente mehr benötigen. Nicht zuletzt gäben die Ergebnisse aber auch schon heute einen neuen Einblick in die molekularen Mechanismen, die dazu führen, dass eine hohe Aufnahme vor allem gesättigter Fette ungünstige Effekte auf den Blutdruck und damit auf das Entstehen von Herz-Kreislauf-Erkrankungen haben kann, ergänzt Endokrinologe Pfeiffer, der am DIfE die Abteilung Klinische Ernährung leitet.