Mit Bindfaden und Schere
Die Chromosomenverteilung in der Meiose
Monika Krause © MPI für Biochemistry
Warum sehen Kinder eigentlich ihren Eltern ähnlich? Die meisten Zellen unseres Körpers sind diploid, d.h. sie besitzen zwei Kopien von jedem Chromosom – eine von der Mutter und eine vom Vater. Nur Gameten, also Ei-und Spermazellen enthalten eine einfache Kopie. Die Zelle muss also den doppelten Chromosomensatz halbieren um haploide Gameten herstellen zu können. Das passiert in einer besonderen Form der Zellteilung, der Meiose. Die Meiose ist jedoch überraschend kompliziert. Statt einfach mütterliche und väterliche Chromosomen auf zwei Tochterzellen zu verteilen, werden die Chromosomen zuerst dupliziert, sodass sie aus jeweils zwei Strängen, den Chromatiden, bestehen. Verdoppelte väterliche und mütterliche Chromosomen lagern sich dann zusammen und die Chromosomenarme werden kreuzweise miteinander verknüpft. Es entstehen neue Chromosomen aus vier Chromatiden, die durch ringförmige Proteinkomplexe, die Kohäsine, wie mit Bindfäden zusammengehalten werden. Um die Chromosomen wieder in ihre Chromatiden zu zerlegen, sind zwei Kernteilungen nötig, die erste und die zweite meiotische Teilung. In der ersten Teilung werden die Kohäsinringe auf den Chromosomarmen von einer molekularen Schere, dem Enzym Separase, aufgeschnitten. Es entstehen X-förmige Chromosomen aus zwei Chromatiden, die nur noch in ihrer Mitte am Centromer, durch Kohäsinringe zusammengehalten werden. Im zweiten Teil der Meiose zerschneidet die Separase die Kohäsinringe dann endgültig. So entstehen vier haploide Gametenkerne, die jeweils eine Chromatide von jedem Chromosom, also eine Bauanleitung für den Körper enthalten. Kommt es zur Befruchtung, vermischt sich die genetische Information von Vater und Mutter und ein neuer diploider Chromosomensatz entsteht, oder einfach gesagt: Ein Baby mit Papas Nase und Mamas Augen. Die Frage ist nun, woher weiß die Separase Schere wann welche Kohäsinringe geschnitten werden müssen? Wenn Kohäsinringe zu früh oder an der falschen Stelle aufgeschnitten werden, entstehen Chromosomenverteilungsfehler die zu Frühgeburt oder Trisomie, wie dem Down-Syndrom führen.
Wolfgang Zachariae und seine Forschungsgruppe Biologie der Chromosomen haben bereits gezeigt, wie die Kohäsinringe für das Aufschneiden markiert werden. Dazu überträgt das Kinase-Enzym Hrr25 ein Phosphatmolekül auf die Schnittstelle des Kohäsinrings, was der Separase Schere signalisiert: „Hier schneiden!“. Auf diese Weise werden in der ersten Teilung die Kohäsinringe von den Chromosomenarmen entfernt. Die Kohäsinringe auf den Centromeren werden jedoch vor der Schere geschützt indem ein Phosphatase-Enzym die Phosphat-Markierung wieder entfernt. „Die Entscheidung ob ein Kohäsinring geschnitten wird, hängt also letztlich vom Kampf Kinase-gegen-Phosphatase ab. In der ersten Teilung gewinnt die Kinase auf den Chromosomenarmen, verliert aber gegen die Phosphatase auf den Centromeren“,erklärt Zachariae. Die neueste Arbeit der Gruppe zeigt nun, wie die Kinase in der zweiten Teilung ihren Kampf gegen die Phosphastase am Centromer gewinnt. Dazu bringt Hrr25 einen zellulären Proteinschredder dazu, die Verbindung der Phosphatase zum Centromer zu kappen. Die Phosphatase verschwindet vom Centromer woraufhin Hrr25 das Kohäsin für die Separase Schere markieren kann und die Chromatiden getrennt werden. Zusätzlich zur Chromatidentrennung bewirkt die Hrr25 Kinase auch den Austritt aus der Meiose und startet die Bildung der Sporen, was der Gametenbildung in Hefe entspricht. „Hrr25 ist damit so etwas wie der Dirigent der zweiten meiotischen Teilung“, fasst Zachariae zusammen.
Diese vielseitige Kinase ist auch bei uns Menschen vorhanden. Ob Hrr25 auch bei uns die entscheidenden Schritte in der zweiten meiotischen Teilung steuert, sollen künftige Studien zeigen. „Experimente an Hefen geben uns wichtige Hypothesen an die Hand, wie die Chromosomenverteilung in höheren Organismen reguliert werden könnte“, sagt Wolfgang Zachariae. „Diese Studien sollen helfen, die Ursachen von Chromosomenverteilungsfehlern in menschlichen Eizellen zu finden“.