Kein gemeinsamer Nenner
Metaanalyse zeigt inkonsistente Befunde von klinischen Bildgebungsstudien bei depressiven Patienten
Depression ist eine der häufigsten psychiatrischen Krankheiten. Die Patienten leiden unter Stimmungsschwankungen, Antriebsarmut oder Schlaflosigkeit. Darüber hinaus weisen die Betroffenen häufig Defizite im kognitiven und emotionalen Verarbeiten von Situationen auf. In den letzten zwanzig Jahren wurde daher in einer Reihe von Studien versucht, diejenigen Gehirnregionen zu lokalisieren, die mit diesen Veränderungen im Zusammenhang stehen. Prinzipiell kann man im Bildgebungsbereich zwischen strukturellen und funktionellen Studien unterscheiden: Während sich erstere auf Unterschiede im Volumen von grauer oder weißer Substanz von Gehirnregionen zwischen Patienten und Kontrollpersonen fokussieren, untersuchen funktionelle Bildgebungsstudien, ob bei Patienten zum Beispiel während der Bearbeitung von Aufgaben bestimmte Gehirnregionen anders aktiviert werden als bei gesunden Kontrollpersonen.
Eine aktuelle Studie von Jülicher Neurowissenschaftlern aus dem Institut für Neurowissenschaften und Medizin (INM-1) hat nun eine umfassende Metaanalyse über funktionelle Bildgebungsstudien bei Patienten mit Depression durchgeführt. Dazu wurden Patientendaten aus 57 Bildgebungsstudien zusammengezogen, die Aktivierungsunterschiede im Gehirn bei Patienten mit Depression gegenüber gesunden Probanden zeigten, während kognitive oder emotionale Verarbeitungsprozesse abliefen. Die Studienteilnehmer lösten dafür zum Beispiel Aufgaben oder betrachteten emotionale Bilder. Überraschenderweise gab es keine übereinstimmenden Ergebnisse. Die Wissenschaftler konnten keine Gehirnregionen lokalisieren die über alle funktionellen Bildgebungsstudien hinweg veränderte Aktivitäten bei Patienten mit Depression aufwiesen.
Dieses Ergebnis zeigt deutlich, wie problematisch das Replizieren von funktionellen Bildgebungsstudien bei Depression ist. "Häufig arbeiten Wissenschaftler mit zu kleinen Fallzahlen, um belastbare Ergebnisse zu erhalten", erläutert Dr. Veronika Müller vom INM-1. "Außerdem weisen die einzelnen Studien immer wieder Unterschiede bei den spezifischen Charakteristika der Patienten auf, wie etwa Alter, Medikation oder Symptomschwere", so die Neurowissenschaftlerin. Zudem seien im funktionellen Bildgebungsbereich große Unterschiede im experimentellen Ablauf, zum Beispiel hinsichtlich der gestellten Anforderungen und Aufgaben ausschlaggebend für die heterogenen Ergebnisse der einzelnen Studien.
Aber auch die Metaanalysen selbst seien schwer zu vergleichen, so die Autoren der Metastudie. "Dies liegt daran, dass es für Metaanalysen im Bildgebungsbereich bisher keine einheitlichen Standards der Berichterstattung gibt", erläutert Veronika Müller. Häufig fehlte zum Beispiel die eindeutige Angabe, welche Ergebnisse der einzelnen Studien in die Meta-Analyse eingeflossen sind. Dies mache ein erneutes Durchführen der Metaanalyse und damit ein Überprüfen der Ergebnisse unmöglich. Daher weisen die Jülicher Neurowissenschaftler im "Journal of the American Medical Associaton Psychiatry" (JAMA Psychiatry) auf die Notwendigkeit von einheitlichen Analyse- und Berichterstattungsstandards im Bildgebungsbereich hin. "Nur so ist sicherzustellen, dass Ergebnisse überprüfbar sind und künftige Bildgebungsstudien dazu beitragen können, die Krankheiten besser zu verstehen", so Veronika Müller.
Originalveröffentlichung
Veronika I. Müller, Edna C. Cieslik, Ilinca Serbanescu, Angela R. Laird, Peter T. Fox, Simon B. Eickhoff; "Altered Brain Activity in Unipolar Depression Revisited. Meta-analyses of Neuroimaging Studies"; JAMA Psychiatry; YOI160074, Published online November 9, 2016