In Form für den richtigen Schnitt
RNA-basierte Genregulation mit dynamischen Proteinen
Christoph Hohmann / NIM
Ribonukleinsäure – kurz RNA – übermittelt die in den Genen gespeicherten Erbinformationen und damit die Bauanleitung für Proteine. Bei der Genabschrift im Zellkern entsteht zuerst eine Vorläufer-Boten RNA (mRNA), aus der durch eine komplexe molekulare Maschine im Zellkern – das Spleißosom – unterschiedliche nicht benötigte Abschnitte herausgeschnitten und entfernt werden.
Dieser Vorgang wird als alternatives Spleißen bezeichnet und spielt für die Genregulation eine wichtige Rolle, denn jeder der zurechtgeschnittenen mRNA-Stränge liefert den Bauplan für ein anderes Protein – ein Gen kann also in mehrere Proteine mit unterschiedlicher Funktion umgesetzt werden.
Wissenschaftler um Professor Don Lamb vom Department Chemie der LMU München und Professor Michael Sattler (Helmholtz Zentrum München und Technische Universität München (TUM)) konnten nun zeigen, wie strukturänderungen eines Proteins, das essentiell für den Zusammenbau des Spleißosoms an der mRNA ist, die Effizienz des Spleißens entscheidend beeinflussen.
Proteindynamik beeinflusst biologische Funktion
Das Spleißosom in menschlichen Zellen setzt sich für jede Aktion direkt auf der Vorläufer-mRNA aus zahlreichen Einzelteilen neu zusammen. „Voraussetzung dafür ist, dass es spezifisch an die RNA bindet. Der untersuchte Assemblierungsfaktor des Spleißosoms, U2 Auxiliary Factor oder kurz U2AF, ist wichtig, damit die richtige Bindestelle erkannt wird“, sagt Lena Voithenberg, die Erstautorin der Arbeit.
Das Protein U2AF besteht aus zwei Untereinheiten, von denen die größere im ungebundenen Zustand sehr dynamisch ist, wie die Wissenschaftler mithilfe von Einzelmolekül-Fluoreszenzmikroskopie zeigen konnten. Parallel hierzu wurden mittels Kernspinresonanz (NMR)-Spektroskopie am Bayerischen NMR-Zentrum in Garching Informationen zur Struktur und Dynamik von U2AF gewonnen.
„Die große Untereinheit wechselt innerhalb von Mikro- bis Millisekunden zwischen einer offenen und einer geschlossenen Struktur“, sagt Voithenberg. An ihre RNA-Zielsequenz bindet sie jedoch nur im geöffneten Zustand. Wie häufig der geöffnete Zustand vorliegt, hängt von der Affinität der RNA-Sequenz ab: Sequenzen mit hoher Affinität werden mit einer höheren Wahrscheinlichkeit gebunden und letztendlich geschnitten, als solche mit niedrigerer Affinität.
Räumliche Anordnung reguliert Spleißeffizienz
Aus ihren Ergebnissen schließen die Wissenschaftler, dass die unterschiedlichen räumlichen Anordnungen der großen Untereinheit die Spleißeffizienz regulieren. Dies hat Auswirkungen darauf, in welcher Art die Vorläufer-mRNA zurechtgeschnitten wird und beeinflusst damit auch die Proteinsynthese.
Die korrekte Regulation des alternativen Spleißens spielt für viele zelluläre Prozesse eine zentrale Rolle, und Fehler im Spleißen tragen zu vielen genetischen Erkrankungen und Krebs bei. Das Verständnis der molekularen Grundlagen des Spleißens ist ein Ausgangspunkt dafür, in Zukunft innovative Therapien gegen diese Erkrankungen entwickeln zu können.