Vorstände im Dax verdienen im Mittel 57-mal so viel wie durchschnittliche Beschäftigte

Studie empfiehlt Transparenzvorschrift im Corporate-Governance-Kodex

07.10.2016 - Deutschland

Vorstände von Dax-Unternehmen verdienen im Mittel 57-mal so viel wie die durchschnittlichen Beschäftigten in ihrer Firma. Dabei reicht die Bandbreite im Dax 30 vom 17- bis zum 141-fachen. Das zeigt eine neue Studie der Hans-Böckler-Stiftung. Die Autorinnen der Untersuchung empfehlen konkrete Transparenzvorschriften im Deutschen Corporate Governance Kodex, um die große Ungleichheit zwischen Topmanagern und den übrigen Beschäftigten abzubauen.

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Wer die Verantwortung für die Geschicke eines großen Unternehmens mit zig tausend Arbeitsplätzen trägt, erbringt eine beachtliche Leistung und sollte anständig bezahlt werden. Dagegen wird kaum jemand etwas einwenden. Die Frage ist aber, wie hoch der Gehaltsaufschlag ausfallen darf. Eine Messgröße ist hier die sogenannte Manager to Worker Pay Ratio, auf die seit 2013 auch der Deutsche Corporate Governance Kodex Bezug nimmt. Wie hoch die Ratio – also das Verhältnis zwischen Vorstandvergütung und durchschnittlichem Verdienst im Unternehmen ausfällt –, muss von deutschen Unternehmen allerdings bislang nicht publiziert, sondern lediglich im Aufsichtsrat besprochen werden. Anders ist dies in den USA: Firmen müssen die Werte ab kommendem Jahr öffentlich ausweisen. Das soll künftig dazu beitragen, Gehaltsexzesse zu verhindern.

Die Vergütungsexpertin Marion Weckes von der Hans-Böckler-Stiftung hat zusammen mit Qendresha Berisha die Pay Ratios für die 30 Dax-Unternehmen berechnet. Dazu haben die Forscherinnen die Vorstandsvergütungen ins Verhältnis zu den Durchschnittsverdiensten im jeweiligen Konzern gesetzt. Datenbasis sind die Angaben zu den Gesamtaufwendungen für das Personal weltweit in den Geschäftsberichten für die Jahre 2005, 2008, 2011 und 2014. Angaben für inländische Beschäftigte waren nicht durchgängig verfügbar und erlaubten daher keinen Vergleich.

Zentrales Ergebnis: Im vergangenen Jahrzehnt ist der Abstand zwischen Topmanagern und durchschnittlichen Beschäftigten deutlich angestiegen. 2005 bekam ein Vorstandsmitglied im Dax durchschnittlich 42 mal so viel wie ein Beschäftigter, 2011 erreichte die Ratio mit dem 62-fachen einen vorläufigen Höchststand. Dem jüngsten ermittelbaren Wert, der Manager to Worker Pay Ratio von 57, liegen Daten von 2014 zugrunde. Dabei reicht die Spanne vom 17-fachen bei Konsumgüterkonzern Beiersdorf (u.a. Nivea) über das 33-fache bei der Allianz oder das 81-fache beim Pharmakonzern Merck bis zum 141-fachen beim Autobauer Volkswagen. Drei Dax-Unternehmen weisen eine Ratio von mehr als 100 auf, nur zwei von weniger als 20. Vergleicht man die Jahre 2011 und 2014, fällt die Situation in den 25 Unternehmen, die in beiden Jahren im Dax waren, uneinheitlich aus: In zwölf wuchs der Abstand, in 13 ging er zurück. Bei VW beispielsweise vom 170- auf das 141-fache.

Höhe und Entwicklung der Pay Ratio können mehrere Ursachen haben. Zum einen den wirtschaftlichen Erfolg: Oft stehen Unternehmen mit einem hohen internen Gehaltsabstand bei Umsatz, Gewinn und Beschäftigungswachstum gut da. Das galt beispielsweise für VW, das im Geschäftsjahr 2013 – wichtige Basis für die Vorstandsvergütung ein Jahr später – in diesen Kategorien ebenfalls an der Dax-Spitze rangierte. Allerdings, betonen die Forscherinnen, gilt dieser Zusammenhang nicht bei allen Unternehmen. Auch Trends bei der Bezahlung und Beschäftigung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern können die Pay Ratio beeinflussen: Wenn ein Unternehmen bei Neueinstellungen niedriger entlohnt oder Beschäftigung ins Ausland verlagert, schlägt sich das ebenfalls in der Ratio nieder.

Die Studie zeigt auch: In den USA fällt der Verdienstabstand noch weitaus größer aus. Jenseits des Atlantiks bezieht die Gruppe der Vorstandsvorsitzenden im Durchschnitt das 335-fache ihrer Arbeiter und Angestellten. Es bleibe abzuwarten, so Weckes und Berisha, ob die neue Veröffentlichungspflicht die Abstände reduzieren wird. Eine Untersuchung der Harvard Business School zeige jedenfalls, dass die Wertschätzung der Verbraucher für ein Unternehmen sinkt, wenn sie wissen, dass dessen Manager sich eine extrem hohe Vergütung gönnen.

Mehr Transparenz herzustellen wäre auch hierzulande immerhin „ein erster Schritt“, schreiben die Expertinnen. Das Gebot ließe sich sehr einfach durch eine kleine Ergänzung im Corporate Governance Kodex verankern. Die Autorinnen liefern in ihrer Studie dafür einen konkreten Vorschlag. So sollte etwa im separaten Vergütungsbericht der Unternehmen „die Angemessenheit des Verhältnisses der Vorstandsvergütung zur Vergütung des oberen Führungskreises und der Belegschaft begründet und die Beschäftigtenanzahl in Köpfen und Vollzeitäquivalenten nach Inland und weltweit“ ausgewiesen werden. So sei garantiert, dass sich der gesamte Aufsichtsrat eingehend mit der Pay-Ratio-Thematik befasse und die interessierte Öffentlichkeit in die Lage versetzt werde, die inländische sowie die Konzern-Ratio selbst nachzuvollziehen. Der Kodex empfehle zwar schon heute die Berücksichtigung der Ratio. Doch in der Praxis werde „in vielen Aufsichtsräten die Vergütungsrelation, wenn überhaupt, nur auf Nachfrage berichtet“ – schon, weil die Zahlen nicht automatisch den Weg in die Sitzungsunterlagen finden, berichten Weckes und Berisha.

Wenn die Zahlen auf dem Tisch liegen müssen, könne der Aufsichtsrat die für das Unternehmen beste Lösung finden, etwa einen Höchstwert für die Pay Ratio. Dies sei, betonen die Autorinnen der Studie, übrigens nicht nur im Interesse der Belegschaftsvertreter im Aufsichtsrat, die sich für eine faire Entlohnung der Beschäftigten einsetzen. „Eine Obergrenze läge mitunter sogar im Interesse der Aktionäre“. Denn Studien zeigen: Sehr große Gehaltsdifferenzen zwischen Führung und Beschäftigten wirkt sich negativ auf Kooperations- und Leistungsbereitschaft, also letztlich auf den Unternehmenserfolg aus. Manager, die finanziell stark nach oben abwichen, neigten häufig zu Selbstüberschätzung und risikoreicherem Handeln.

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