Sepsis: Ist ein schwerer Verlauf Veranlagung?
Untersuchung des Zusammenhangs zwischen den Genen von Sepsispatienten und der Schwere des Krankheitsverlaufes.
Extrem unterschiedliche Verläufe
Die erste Studie untersuchte Sepsisfälle, die durch extrem unterschiedliche Verläufe auffielen. Zum einen waren dies Patienten, die trotz offenbar ungünstiger Voraussetzungen, wie hohes Alter, mehrerer Vorerkrankungen, Behandlung mit nicht geeigneten Antibiotika, die Sepsis überlebten; zum anderen Patienten, die eher jünger waren und zeitnah eine adäquate Therapie erhielten, bei denen die Sepsis aber trotzdem sehr schwer verlief. Aus mehr als 4000 Patienten wurden diese beiden Extremgruppen zusammengestellt. Bei der Genanalyse der ausgewählten 74 Patienten konzentrierten sich die Wissenschaftler auf seltene, proteinverändernde Genvarianten. „Entgegen unserer Erwartung fanden wir im Vergleich der beiden Extremgruppen, dass sich bei den Patienten mit günstigen Sepsisverläufen mehr solche Genvarianten fanden“, so PD Dr. Matthias Platzer vom Jenaer Leibniz-Institut für Alternsforschung.
Die in diesen Gensequenzen verschlüsselten Proteine sind an Signalprozessen in der Zelle, bei der Erkennung des Krankheitserregers und des angeborenen Immunsystems beteiligt. „Diese konnten wir durch eine neu entwickelte semantische Informationsfusion identifizieren“ ergänzt Professor Hans Kestler, früherer Arbeitsgruppenleiter am FLI und jetzt Professor an der Universität Ulm. Studienleiter Matthias Platzer: „Wir nehmen an, dass die veränderten Proteine die sonst im Fall einer Sepsis zu beobachtende Überreaktion des Körpers auf die Infektion abmildern. Wahrscheinlich ist zudem, dass dieser eher protektive Effekt erst aufgrund der Kombination mehrerer Varianten entsteht.“ Zudem könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Wirkung der Varianten unter anderen Umständen schädlich ist.
Genomweite Analyse rückt drei Regionen in den Fokus
Die zweite Studie sah sich nicht nur die Stellen im Genom an, die für Proteine kodieren, sondern häufige genetische Varianten des gesamten menschlichen Genoms. Sie analysierte die Daten von 740 Sepsispatienten in einer genomweiten Assoziationsstudie. „Dabei identifizierten wir 14 Genregionen, die mit einer erhöhten Sterblichkeit nach Sepsis zusammenhingen. Eine Validierung anhand der Daten von weiteren 3.470 Patienten rückte speziell drei Genregionen in den Fokus“, nennt Studienautor Professor André Scherag vom Center for Sepsis Control and Care (CSCC) am Universitätsklinikum Jena das Ergebnis. Darunter sind auch Abschnitte des Gens CRISPLD2, die keine Eiweiße verschlüsseln. Für dieses Gen konnte in anderen Studien ein Zusammenhang mit Procalcitonin nachgewiesen werden, einer Hormonvorstufe, die als einer der validesten Biomarker bei der Verlaufskontrolle von Sepsisverläufen gilt. „Wir sind noch weit davon entfernt, Markergene für einen schweren Sepsisverlauf zu kennen“, ordnet der CSCC-Studienleiter André Scherag kritisch die Ergebnisse für die Praxis ein. „Aber diese Arbeiten liefern neue komplementäre Einsichten in biologische Prozesse, die entscheidend für den Verlauf einer Sepsis sein könnten.“
Beide Studien konzentrieren nun den Blick der Forscher auf Bereiche des menschlichen Genoms, deren weitere Untersuchung das Verständnis molekularer Prozesse bei Sepsis verbessern und damit den Weg zu neuen Behandlungsmöglichkeiten aufzeigen könnte.