Nervenkrieg um Stada erreicht Höhepunkt
Investoren wollen alte Führungsriege abwählen lassen: Ein erster Schritt zur Zerschlagung?
(dpa) Martin Abend, Aufsichtsratschef beim hessischen Pharma-Konzern Stada, steht mächtig unter Druck. Seit Wochen macht ihm der Großaktionär Active Ownership Capital die Hölle heiß: Die AOC-Gründungspartner Florian Schuhbauer und Klaus Röhrig kritisieren die von Abend mitgetragene Geschäftspolitik der vergangenen Jahre und betreiben die Abwahl des 53 Jahre alten Chefaufsehers sowie seines Stellvertreters Carl Ferdinand Oetker.
Da auf der Hauptversammlung am kommenden Freitag (26. August) ohnehin vier neue Aufsichtsräte gewählt werden sollen, stehen letztlich sämtliche Vertreter der Kapitalseite in dem neunköpfigen Gremium zur Disposition und damit wohl auch die Zukunft des gesamten Unternehmens. «Wir verbessern den inneren Wert von Firmen, indem wir die Umsetzung von operativen, strategischen und strukturellen Verbesserungen fördern», beschreiben die Angreifer ihre Strategie. Dass nach dem Aufsichtsrat auch das bisherige Management gehen müsste, gilt daher als ausgemachte Sache, wenngleich AOC konkrete Pläne dazu abstreitet.
Im Auftrag nicht genannter Anleger hatte die Gesellschaft laut Finanzaufsicht am 1. April Zugriff auf knapp 7 Prozent der Stada-Anteile und damit beim komplett im Streubesitz befindlichen M-Dax-Konzern bereits eine bedeutende Position aufgebaut. Auf den Stada-Hauptversammlungen waren bislang bestenfalls 37 Prozent der Anteile vertreten. Eine Mehrheit scheint für die Angreifer machbar, zumal auch zwei einflussreiche Investmentberater einzelne AOC-Kritikpunkte gestützt haben.
Mit Vorstandschef Hartmut Retzlaff ist bereits der langjährige Stada-Patriarch abgetreten - offiziell aus gesundheitlichen Gründen. Hartnäckig hält sich aber auch die Lesart, dass der mit sehr hohen Gehalts- und Pensionsansprüchen ausgestattete 62-Jährige den kritischen Aktionären zu viele Angriffsflächen geboten hätte.
Der frühere Pharma-Berater Retzlaff hat Stada seit 1993 erst zu dem gemacht, was es heute ist - ein respektabler, eigenständiger Konzern mit 2,1 Milliarden Euro Umsatz und einer internationalisierten Produktion von Nachahmer-Medikamenten und rezeptfreien Arzneimitteln. Doch nach Auffassung der Kritiker hat der vom Aufsichtsrat kaum eingeschränkte Stada-Herrscher in den vergangenen Jahren zu viele Chancen liegengelassen und zu stark auf nun kriselnde Absatzmärkte wie Russland und Serbien gesetzt.
Derzeit führen Finanzchef Helmut Kraft und der neue, 43 Jahre alte Vorstandschef Matthias Wiedenfels das Unternehmen. Aufsichtsratschef Abend will mit ihnen und zwei neuen Vorständen die Internationalisierung des weiterhin eigenständigen Unternehmens vorantreiben und neue Geschäftsfelder wie etwa Kosmetik erschließen.
Noch immer besitzen Ärzte und Apotheker rund zehn Prozent der Anteile an der einstigen Pillen-Genossenschaft. Über einen Beirat versuchen die Mediziner und Pharmazeuten, die Eigenständigkeit «ihres» Unternehmens zu verteidigen. Im Interview mit der «Pharmazeutischen Zeitung» greift der Beiratsvorsitzende Thomas Meyer den Investor AOC scharf an: «Das tatsächliche Ziel von AOC ist aus unserer Sicht, die Kontrolle über Stada zu erlangen, das Unternehmen zu zerschlagen und dann die einzelnen Teile gewinnbringend zu verkaufen. Es geht schlicht darum, Kasse zu machen und um nichts anderes.»
In der fusionsfreudigen Pharmabranche mangelt es nicht an Interessenten, was den Aktienkurs deutlich getrieben hat. Nach Informationen des «Handelsblatts» haben bereits mehrere Finanzinvestoren ihre Fühler ausgestreckt, weil in dem bislang eigenständigen Unternehmen noch großes Entwicklungspotenzial vermutet wird. In die Bücher habe aber noch niemand schauen dürfen.
Neben den Finanzgesellschaften käme auch ein strategischer Investor in Frage wie zum Beispiel die Branchenriesen Bayer, Glaxo-Smith-Kline oder Novartis. Drei der von AOC benannten Gegenkandidaten für den Aufsichtsrat haben wichtige berufliche Erfahrungen beim Baseler Pharma-Unternehmen gesammelt.
Zuletzt hat Aufsichtsratschef Abend Rückendeckung erhalten. Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) und die Aktionärsvertreter des SdK sprachen sich gegen die AOC-Pläne aus. DSW-Vertreter Peter Barth äußerte Zweifel, ob die Gegenkandidaten für den Aufsichtsrat tatsächlich unabhängig und unbeeinflusst sind. Seinen Informationen zufolge erwäge der kritische Investor auch Änderungen im Vorstand. «Wenn es das Ziel ist, das Management auszutauschen, dann muss dies ja schon vorher mit den Aufsichtsratskandidaten besprochen worden sein», sagte der Frankfurter Rechtsanwalt.
Der Wirtschaftswissenschaftler Christian Strenger, Multi-Aufsichtsrat und Experte für gute Unternehmensführung (Corporate Governance), hat Stada und Retzlaff in der Vergangenheit scharf kritisiert. Dennoch plädiert er dafür, Abend im Amt zu halten, obwohl der viel zu lange die Dominanz von Retzlaff mitgetragen habe. «Er sollte eine faire Chance haben, die endlich angefangenen Governance-Verbesserungen fortzuführen.» Die Entscheidung liegt am Freitag im Congress-Centrum an der Frankfurter Messe bei den Aktionären.