Antientzündliches Prinzip wirkt auch gegen Lungenkrebs und Emphysem

29.07.2016 - Deutschland

Weder Lungenkrebs noch Emphysem, eine chronische Lungenkrankheit, gelten bisher als Entzündungskrankheiten. Tatsächlich spielen jedoch auch hier Entzündungsprozesse eine Rolle, die unter anderem auch bei der Entstehung von chronisch entzündlichen Darmerkrankungen oder Rheuma relevant sind. Das haben Studien der Arbeitsgruppe von Professor Brendan Jenkins, Hudson Institute of Medical Research (Australien) in Kooperation mit dem Kieler Biochemiker Professor Stefan Rose-John vom schleswig-holsteinischen Exzellenzcluster Entzündungsforschung ergeben. Anhand von Tiermodellen konnte nachgewiesen werden, dass der Entzündungsbotenstoff Interleukin-6 (IL-6) beide Lungenkrankheiten anfeuert.

Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

Die zwei Signalwege von Interleukin 6 Interleukin-6 (IL-6) wirkt prinzipiell über zwei unterschiedliche Signalwege. Beim ‚klassischen Weg’ dockt IL-6 an seinen Rezeptor an, der in der Zellmembran gebunden ist. Dieser Komplex bindet an gp130 und löst damit das Signal zur Aktivierung des Immunsystems aus. Dieser Signalweg ist auf Zellen beschränkt, die einen IL-6-Rezeptor tragen. Das sind aber nur wenige Zelltypen, vor allem Immunzellen und Leberzellen. Trotzdem können auch andere Zellen auf das Signal von IL-6 reagieren. Dazu bindet das IL-6 an den im Blut und im entzündeten Gewebe befindlichen „löslichen“ IL-6-Rezeptor. Dieser zweiten Signalweg, das so genannte Trans-Signaling, ist maßgeblich für krankhafte Entzündungsprozesse. Von außen zugeführtes sgp130Fc fängt den löslichen Komplex weg, so dass kein Trans-Signaling ausgelöst wird.

Vermittelt wird dies über den löslichen IL-6-Rezeptor mit einem besonderen Signalweg, dem sogenannten IL-6-Trans-Signaling, wie die Versuche zeigten. Gleichzeitig gelang es mit einem Hemmstoff des IL-6-Trans-Signalings den krankhaften Prozess aufzuhalten. Diese Ergebnisse eröffnen neue therapeutische Optionen, davon ist Professor Stefan Rose-John überzeugt: „Das ist wirklich spektakulär. Ich bin sicher, es lohnt sich, das weiterzuentwickeln.“

In beiden Studien identifizierten Professor Brendan Jenkins und sein Team den Botenstoff Interleukin 6 (IL-6) als treibende Kraft für den Krankheitsprozess, der über einen als Trans-Signaling bezeichneten Signalweg wirkt. Der Kieler Biochemiker Professor Stefan Rose-John hat diesen Signalweg vor rund 20 Jahren aufgedeckt und ihn im Unterschied zum klassischen Signalweg als Trans-Signaling bezeichnet. „Das Besondere beim Trans-Signaling ist, dass dadurch Interleukin 6 auch auf solchen Zellen wirkt, die keinen eigenen IL-6-Rezeptor haben“, erklärt Rose-John, der zusammen mit Brendan Jenkins die Projekte in die Wege geleitet hat. „Was meine Arbeitsgruppe auszeichnet und was uns zu sehr wertvollen Partnern für viele Labore der Welt macht, ist, dass wir die besten Tools haben, um die Signalwege von IL-6 zu untersuchen. Die Frage, geht es über den membranständigen oder löslichen Rezeptor, die können nur wir beantworten, und die ist wichtig.“

Ziel dieser und anderer Studien ist es, weitere Krankheitsbilder zu identifizieren, in denen IL-6 involviert ist. In bisherigen Untersuchungen zu Entzündungen von Darm und Gelenken sowie dem Wachstum von Krebszellen hat sich herauskristallisiert, dass die krankmachenden Wirkungen von Interleukin 6 vor allem via IL-6-Transsignaling vermittelt werden. Dies bestätigen nun auch Jenkins’ Studien zu Lungenkrebs und Emphysem. „Trans-Signaling und IL-6 haben sehr bedeutende Wirkungen auf die Lungenerkrankungen. Sie sind die führenden Regulatoren und können über sgp130FC gezielt beeinflusst werden“, erklärt der australische Immunologe, den die enge Verknüpfung der beiden sehr unterschiedlichen Lungenerkrankungen überrascht hat. Denn charakteristisch für das Lungenemphysem ist der Verlust von Lungengewebe, während für Lungenkrebs unkontrolliertes Gewebewachstum kennzeichnend ist.

Das Protein sgp130Fc ist ein potenter Hemmstoff des IL-6-Trans-Signalings. Es wurde am Biochemischen Institut der Kieler Universität unter Leitung von Stefan Rose-John entwickelt und wird derzeit als Therapeutikum für Menschen mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen klinisch erprobt. Die jetzt vorliegenden Studien zeigen, dass sgp130Fc prinzipiell auch eine Option für die Therapie von Menschen mit bestimmten Lungenkrebserkrankungen (KRAS-Gen-Mutationen) oder mit Emphysem ist.

Antientzündlich wirksam - Protein sgp130 Fc
Das Besondere an sgp130Fc: Es hemmt nicht grundsätzlich alle Funktionen von IL-6, sondern schaltet nur das Trans-Signaling ab, das eine chronische Entzündung auslöst und unterstützt. Andere wichtige Funktionen von Interleukin-6 in der Immunabwehr, im Stoffwechsel und bei der Leberregeneration bleiben weitgehend unberührt. Damit unterscheidet es sich von Molekülen, die Interleukin-6 komplett hemmen wie zum Beispiel der Wirkstoff Tocilizumab, der in der Rheumatherapie eingesetzt wird.
Das Protein sgp130Fc imitiert das natürlicherweise im Blut vorkommende gp130. Durch Verknüpfung von jeweils zwei gp130-Molekülen ist es allerdings wesentlich wirksamer als das natürliche lösliche Protein. Es fängt zusammen mit dem löslichen IL-6-Rezeptor Interleukin-6 im Blut ab. Der Komplex kann somit nicht an das membranständige gp130 binden und kein Trans-Signaling auslösen. Dadurch wird die Entzündung gehemmt.

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