Evolution mit der molekularen Schere untersucht

Reparatur von gegenüberliegenden Einzelstrangbrüchen führt zu Duplikationen von Sequenzen in der DNA

17.06.2016 - Deutschland

Einen wichtigen Mechanismus der Evolution von Pflanzengenomen haben Forscher am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) aufgeklärt: Anhand der Modellpflanze Ackerschmalwand untersuchten sie den Ursprung tandemartig wiederholter Sequenzen in der DNA und stellten fest, dass solche Sequenzen dann auftreten, wenn die beiden DNA-Stränge in deutlichem Abstand voneinander gebrochen werden. Die Wissenschaftler setzten für ihre Experimente die „molekulare Schere“ CRISPR/Cas ein.

Holger Puchta, KIT

Zellkern von Arabidopsis thaliana (Ackerschmalwand), der die genetische Information enthält.

Die Evolution der Genome basiert auf Mutationen, das heißt Veränderungen des Erbguts, die an die Nachkommen weitergegeben werden. Dazu gehören Verdopplungen vorhandener Sequenzen in der DNA (Desoxyribonukleinsäure), dem Träger der genetischen Information. So können in der Evolution größere Genome mit mehr genetischer Information entstehen. Verschiedene Mechanismen können zu solchen Verdopplungen führen. In Pflanzengenomen finden sich häufig kürzere DNA-Sequenzen, die tandemartig dupliziert sind. Wie solche Sequenzen entstehen, haben nun Forscher am Botanischen Institut II des KIT herausgefunden. „Die DNA besteht ja aus zwei gegenläufigen Strängen. Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Reparatur von deutlich voneinander entfernten Einzelstrangbrüchen in den beiden gegenläufigen Strängen eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Duplikationen in Pflanzengenomen spielt“, erklärt Institutsleiter Professor Holger Puchta.

Wie die Wissenschaftler bei Untersuchungen an der Modellpflanze Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) feststellten, führten jeweils zwei solche Einzelstrangbrüche und deren aufeinander abgestimmte Reparatur neben Deletionen, das heißt Auslassungen, regelmäßig zu tandemartigen Duplikationen von kürzeren Sequenzen nahe an den Bruchstellen. Die Forscher führten die Einzelstrangbrüche gezielt in verschiedenen Regionen des Genoms und in verschiedenen Abständen voneinander herbei und analysierten die Ergebnisse der Reparatur durch DNA-Sequenzierung.

Um die Einzelstrangbrüche punktgenau zu erzeugen, setzten die Karlsruher Forscher eine neuartige „molekulare Schere“ ein – eine spezielle Form des CRISPR/Cas-Systems. „Bisher konnten wir nur mit molekularen Scheren arbeiten, die gleichzeitig beide Stränge schneiden und so einen Doppelstrangbruch in der DNA erzeugen. Mit dem modifizierten CRISPR/Cas System können wir nun erstmals eine Schere einsetzen, die nur einen Strang schneidet. So ist es jetzt möglich, die Reparatur solcher Schäden in der DNA im Detail zu untersuchen“, erläutert Puchta.

Die Bezeichnung CRISPR/Cas steht für einen bestimmten Abschnitt auf der DNA (CRISPR – Clustered Regularly Interspaced Short Palindromic Repeats) sowie ein Enzym (Cas), das diesen Abschnitt erkennt und die DNA genau dort schneiden kann. So lassen sich Gene einfach, schnell und präzise entfernen, einfügen oder austauschen.

Holger Puchta war in der Vergangenheit der erste Wissenschaftler überhaupt, der solche molekularen Scheren bei Pflanzen einsetzte. Bei jenen Untersuchungen zeigte er nicht nur, dass sie sich als Werkzeug für gezielte Genomveränderungen nutzen lassen, sondern fand auch heraus, dass Doppelstrangbrüche zu größeren Veränderungen in Pflanzengenomen führen können. In der neuen Untersuchung, vorgestellt in der Zeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America (PNAS), zeigen die Forscher vom Botanischen Institut II des KIT nun, dass auch die Anwesenheit mehrerer Einzelstrangbrüche in der DNA zu Genomveränderungen führen kann. Solche Einzelstrangbrüche kommen unter natürlichen Bedingungen bei Pflanzen häufig vor, vor allem dann, wenn sie UV-Licht ausgesetzt sind. „Der neu entdeckte Mechanismus ist daher für das Verständnis der Evolution von Pflanzengenomen von großer Wichtigkeit“, sagt Holger Puchta.

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