Endogene Retroviren: Tödliche Wiederbelebung

23.05.2016 - Deutschland

Von Retroviren eingeschleustes Erbgut wird in Zellen normalerweise stillgelegt. Wenn diese Unterdrückung nicht funktioniert, löst die Produktion viraler Proteine den Zelltod aus, zeigen LMU-Forscher.

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DNA-Strang. Viele Abschnitte unseres Erbguts wurden von Retroviren eingeschleust

Das Erbgut von Säugetieren enthält viele Abschnitte, die im Verlauf der Evolution durch Retroviren eingeschleust und dann weiter vererbt wurden. Normalerweise werden diese Sequenzen von der Zelle durch epigenetische Modifikationen stillgelegt und die Retroviren damit unterdrückt. Funktioniert die Unterdrückung nicht, entwickelt sich der Organismus nicht normal und es können Krankheiten wie Krebs entstehen. Welche Mechanismen dabei eine Rolle spielen, haben Forscher um Gunnar Schotta vom Biomedizinischen Centrum der LMU nun an B-Zellen des Immunsystems untersucht.

B-Lymphozyten gehören zu den wichtigsten Zellen des Immunsystems. In diesen Zellen unterdrückt das Enzym Setdb1 spezifisch retrovirale Gensequenzen, indem es das Viren-Erbgut mit einer zusätzlichen Methylgruppe markiert. Was aber passiert, wenn das Enzym fehlt? „In von uns generierten Maus-Mutanten, die kein Setdb1 bilden, ist die B-Zell-Entwicklung komplett lahmgelegt. Dadurch werden keine reifen B-Zellen gebildet, sondern die Zellen sterben in einem frühen Stadium ab“, sagt Schotta.

Retrovirale Proteine im Überfluss

In solchen Zellen ohne das Enzym Setdb1, so fanden die Wissenschaftler heraus, funktionieren zwar alle wichtigen Entwicklungsgene normal – zusätzlich aber werden auch bestimme retrovirale Sequenzen sehr stark aktiviert. „Wie wir zeigen konnten, sind diese Sequenzen codierend, das heißt, sie dienen als Bauanleitung für retrovirale Proteine, die in den entsprechenden Zellen dann in großer Zahl hergestellt werden“, erklärt Schotta. „Daher vermuteten wir, dass die Produktion dieser Proteine die Zelle schädigt.“

Die LMU-Forscher konnten auch die Erklärung dafür finden: B-Zellen sind verhältnismäßig klein, ihre Proteinsynthese hat im Vergleich zu anderen Zellen nur eine begrenzte Kapazität. Wie die Wissenschaftler nachwiesen, führt die stark erhöhte Produktion viraler Proteine in diesen Zellen zur sogenannten unfolded protein response (UPR). Darunter versteht man eine Stressreaktion des Endoplasmatischen Reticulums, eines Zellorganells, das bei der Proteinsynthese und –faltung eine wichtige Rolle spielt. Die UPR löst komplexe Reaktionen aus, mit denen die normale Zellfunktion wieder hergestellt werden sollen. Funktioniert dies aber nicht innerhalb einer bestimmten Zeit, leitet dies den programmierten Zelltod ein. „Tatsächlich genügt schon die Produktion eines einzigen bestimmten retroviralen Proteins, dass die UPR ausgelöst wird“, betont Schotta. „Wir haben damit zum ersten Mal gezeigt, wie die Aktivierung endogener Retroviren Zellen schädigt und zum Absterben bringt.“

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