Fünf Nadeln im Heuhaufen

Wissenschaftler entdecken Signale für den gezielten Proteinabbau

19.04.2016 - Deutschland

Alles Leben ist abhängig von Proteinen, die in den Zellen nach dem Bauplan der Gene zusammengesetzt werden. Während viele Forscher untersuchen, wie die Menge und die Aktivität von Proteinen reguliert werden, ist bislang weniger gut bekannt, welche Signale zu einem gezielten Abbau bestimmter Proteine führen. Ein Forschungsteam um den Freiburger Biologen Prof. Dr. Ralf Reski hat nun Substrate und Interaktionspartner gefunden, die im Moos Physcomitrella patens den Proteinabbau nach der so genannten N-end Rule ermöglichen. Diese beschreibt den Einfluss, den eine bestimmte Aminosäure, die sich am Anfang eines Proteins befindet, auf dessen Abbaugeschwindigkeit hat.

Sigrid Gombert

Moospflanzen von Physcomitrella patens in einer Petrischale.

Aus früheren Forschungsarbeiten war bekannt, dass ein Enzym namens ATE die Aminosäure Arginin an Proteine heftet und diese daraufhin von den Proteasomen – aus unterschiedlichen Proteinen zusammengesetzte Komplexe – abgebaut werden. „In Menschen, Mäusen und Fliegen ist die Funktion von ATE essenziell. Ohne dieses Enzym sterben die Embryonen“, sagt Reski. Sein Team hatte schon zuvor gezeigt, dass Physcomitrella patens widerstandsfähiger ist: Bei dem Moos beeinflusst der Verlust der ATE-Funktion zwar die Entwicklung und die Fähigkeit, Energie zu speichern, führt aber nicht zum Tod der Pflanze. Obwohl die N-end Rule schon im Jahr 1986 entdeckt worden war, blieb bislang unklar, welche Proteine in Pflanzen von ATE markiert werden.

Für die neue Studie hat das Team der Professur für Pflanzenbiotechnologie der Universität Freiburg mit Prof. Dr. Andreas Schlosser und seiner Gruppe vom Rudolf-Virchow-Zentrum für Experimentelle Biomedizin der Universität Würzburg zusammengearbeitet.

Gemeinsam haben sie neuartige Methoden der Immunpräzipitation und der Massenspektrometrie entwickelt, mit denen die Forscher fünf Nadeln im Heuhaufen gefunden haben: Nach der Analyse von mehr als 30.000 Proteinspektren haben sie vier Proteine identifiziert, die von ATE mit Arginin markiert werden. Zudem haben sie ein kleines Hitzeschockprotein nachgewiesen, das möglicherweise als so genanntes Chaperon die ATE-Funktion unterstützt. „Unsere Ergebnisse bieten neue Einsichten in die Mechanismen des gezielten Proteinabbaus in Pflanzen“, sagt Reski. „Sie könnten zudem dabei helfen, die Produktion menschlicher Proteine in Moos zu steigern, indem deren Abbau verhindert wird.“ Kürzlich hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte BfArM das erste in Moos hergestellte menschliche Protein offiziell zu klinischen Studien zugelassen.

Originalveröffentlichung

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