Prophetische Genaktivität: Forscher entdecken Genschalter für Langlebigkeit
Grafik: A. Cellerino / FLI
Prophetische Gene im N. furzeri
Genetische Variationen führen dazu, dass jedes Individuum anders altert. Forscher des Jenaer Forschungskonsortiums JenAge konnten nun beim Türkisen Prachtgrundkärpfling (Nothobranchius furzeri) zeigen, dass eine unterschiedliche Genaktivität im jungen Alter die Lebenserwartung beeinflusst. Konkret geht es um diejenigen Gene, die für die Energieproduktion in den Mitochondrien der Zellen zuständig sind. Sind sie im jungen Prachtgrundkärpfling weniger aktiv, verlängert sich die Lebensspanne der Tiere.
Für ihre Forschungen verglichen die Forscher um Alessandro Cellerino von der Scuola Normale Superiore in Pisa, Italien – Leiter einer Kooperationsgruppe am Leibniz-Institut für Alternsforschung - Fritz-Lipmann-Institut (FLI) in Jena – die Genaktivitäten in jungen, mittelalten und alten N. furzeri und gruppierten die Tiere dann anhand ihres natürlich erreichten Lebensalters. Dabei stellten die Wissenschaftler fest, dass die Gene, die für die Zellatmung zuständig sind – die Umwandlung von Zucker in Energie in den Mitochondrien – in den Tieren mit der längsten Lebenserwartung die geringste Aktivität aufwiesen. Auch als die Forscher den Fischen eine geringe Dosis von Rotenon gaben, das den ersten Schritt (Komplex I) der Zellatmung unterdrückt, lebten die Tiere länger. Interessanterweise bewirkte die Gabe von Rotenon auch bei dem viel langlebigeren Zebrafisch (Danio rerio) eine „Verjüngung“ der Genaktivitäten.
„Diese Forschungsergebnisse sind überaus überraschend“, erklärt Alessandro Cellerino. Bisher ging man davon aus, dass die Stimulierung der Mitochondrien-Funktion das Altern positiv beeinflusst. „Unsere Ergebnisse zeigen aber, dass eigentlich eine teilweise Hemmung der mitochondrialen Funktion die Lebens- und Gesundheitsspanne verlängert.“ Ein Grund könnte sein, dass mit der Hemmung ein moderater Anstieg freier Radikale innerhalb der Zelle einhergeht, die der Zelle nicht schaden, sondern eine Anpassungsreaktion veranlassen. „Die Anpassung an milden Stress, wie sie bspw. auch bei sportlicher Aktivität passiert, wird Hormesis genannt. Sie scheint einen lebensverlängerten Effekt zu haben, weil der Körper für folgende Stresssituationen besser gewappnet ist“, erklärt Cellerino weiter.
Es gibt mit Metformin (häufig verschriebenes Antidiabetikum) bereits ein Medikament, das als Nebeneffekt auch den Komplex I der Zellatmung in den Mitochondrien hemmt und eine lebensverlängernde Wirkung im Mausmodell aufweist (Nature Communications 2013, 4, Seite 2192). „Unsere Ergebnisse sind nun ein erster direkter Nachweis, dass es tatsächlich einen Zusammenhang zwischen gehemmter Zellatmung und verlängerter Lebenserwartung im Wirbeltier gibt“, fasst Cellerino zusammen.
Nach JenAge: Das Jenaer Zentrum für Alternsforschung (ZAJ) baut die Alternsforschung in Jena weiter aus
Obwohl die Förderung des JenAge-Projektes ausgelaufen ist, wird weiter experimentell und theoretisch an den im JenAge-Projekt erzeugten Daten gearbeitet. Die ca. 2.500 generierten Datensätze sind in einem Datenmanagementsystem gespeichert und können für weiterführende Analysen auch durch nicht zum JenAge-Konsortium gehörende Gruppen genutzt werden.
2013 wurde in Jena außerdem das Zentrum für Alternsforschung Jena (ZAJ) als weiteres interfakultäres Profilzentrum der FSU, des FLI und des UKJ gegründet, um auch nach Ablauf des JenAge-Projektes die Forschungsaktivitäten zur Alternsforschung am Standort Jena zu bündeln. Das gemeinsame Forschungsprojekt „Alternsinduzierte Hemmung der Regeneration und Gewebshomöostase – RegenerAging“, eine Kooperation mit Carl Zeiss in Jena und kofinanziert durch die ProExzellenz-Initiative 2 des Landes Thüringen, legt den Schwerpunkt auf die funktionelle Analyse von alternsbedingten Veränderungen in den zellulären Signalwegen. Darüber hinaus fördert die Leibniz-Gemeinschaft die Einrichtung eines Leibniz ScienceCampus am Standort Jena, der die außeruniversitäre und universitäre Forschung weiter verzahnen und international konkurrenzfähig machen soll. Jena wird damit seine Bedeutung als Schwerpunktstandort der Alternsforschung in Deutschland weiter ausbauen.
Originalveröffentlichung
Baumgart M, Priebe S, Groth M, Hartmann N, Menzel U, Pandolfini L, Koch P, Felder M, Ristow M, Englert C, Guthke R, Platzer M, Cellerino A; "Longitudinal transcriptional analysis of vertebrate aging identifies mitochondrial complex I as a small molecule-sensitive modifier of lifespan"; Cell Systems 2016, 2, 1-11.