Wegwerf-Labore für das schnellere Erkennen von Krankheiten
Hightech zum Wegwerfen: Kieler Forscher wollen mit Chiplaboren Indikatoren für Krankheiten im Blut nachweisen
(dpa) Auf den ersten Blick erweckt der Wegwerf-Chip nicht den Eindruck eines angehenden Hightech-Produkts. Das von Forschern der Kieler Christian-Albrechts-Universität (CAU) entwickelte durchsichtige Plastikplättchen hat es aber in sich. In einem Schritt filtert es darauf getröpfeltes Blut und leitet das Serum anschließend an einen Sensor weiter. «Der soll gleich mehrere Indikatoren für eine Krankheit in einem Vorgang ausschließen können», sagt Elektroingenieurin Sabrina Jahns, die den Wegwerf-Chip maßgeblich entwickelt. Ihre optische Messmethode haben sich die Forscher bereits patentieren lassen.
In der Handhabung sind die kleinen Wegwerf-Labore aus Kiel so einfach wie ein Schwangerschaftstest. Ist eine Frau schwanger, kann in ihrem Urin ein bestimmtes Hormon, das HCG (Humanes Chorion-Gonadotropin) nachgewiesen werden. Dieses HCG ist ein sogenannter Biomarker. Das sind Indikatoren wie Zellen, weitere Hormone oder Enzyme, die auf Krankheiten, Gesundheit oder eine Schwangerschaft hinweisen. «Unsere Messtechnik kann mit nur einem Blutstropfen bis zu 100 unterschiedliche Biomarker nachweisen», sagt Martina Gerken von der Technischen Fakultät der CAU.
Soweit ist das Kieler Chiplabor noch nicht. Elektroingenieurin Jahns kann mit dessen Hilfe aber bereits Konzentrationen der Proteine Thrombin, CD40 Ligand, EGF und Biotin nachweisen. Thrombin beispielsweise ist wichtig für die Blutgerinnung. «Fällt dessen Konzentration im zu Blut hoch aus, ist das ein Indikator für die erhöhte Anfälligkeit des Patienten eine Thrombose zu bekommen».
Die Idee hinter der Miniaturisierung ist simpel. Chiplabore sollen die Analysekosten für Blutuntersuchungen erheblich reduzieren. Im Idealfall entfällt der Versand einer Blutprobe an ein Speziallabor ganz. Noch stehen die Kieler allerdings erst am Anfang ihrer Forschung. Bislang ist es ihnen erst möglich, den Chip mit sieben Biomarkern zu bestücken. Damit es in ein paar Jahren 100 sein werden, hat das Land Schleswig-Holstein die Entwicklung mit 200 000 Euro gefördert.
An vielen Instituten weltweit arbeiten Wissenschaftler an der Miniaturisierung von Laborprozessen. «Beim sogenannten lab-on-a-chip versuchen Forscher, klassische Labore nicht nur in der Größe zu schrumpfen, sondern dabei - ähnlich wie in der Mikroelektronik - vor allem die Leistungsfähigkeit durch Systemintegration zu erhöhen», sagt Detlev Belder von der Universität Leipzig. Positiver Nebeneffekt bei solchen Mikrolaboren kann deren geringerer Preis sein, was interessant für Einwegsysteme ist.
Viele kommerzialisierte diagnostische Verfahren basieren auf sogenannten Antigen-Antikörper-Reaktionen nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip. «Wenn man genügend viele spezifische Schlösser anbietet, kann man auch beliebig viele Schlüssel finden», erklärt Belder das Prinzip. Sogenannte DNA-Chips könnten beispielsweise einzelne DNA-Moleküle unterscheiden. Ähnlich funktioniert das Kieler Chiplabor.
Langfristig könnten sich Patienten den Arztbesuch möglicherweise in bestimmten Fällen sparen. «Der Wunschtraum ist es, irgendwann einfach einen Blutstropfen auf ein Handy zu geben, und das weiß anschließend alles», sagt Belder. Die wissenschaftliche Herausforderung besteht seiner Ansicht nach darin, nicht nur das Laborgerät zu schrumpfen, sondern viele Gerätschaften künftig auf einem Substrat unterzubringen.
Die Untersuchung auf Dutzende Krankheiten bequem mit einem einzigen Blutstropfen auf der eigenen Couch hält der Professor für analytische Chemie zwar noch für «absolute Zukunftsmusik, aber nicht für unvorstellbar».
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