Bananenprotein stoppt Viren

Eine einzige Aminosäure macht den Unterschied: Maßgeschneidertes Protein für den Einsatz gegen virale Erreger

27.10.2015 - Deutschland

Bananen enthalten ein medizinisch hochinteressantes Molekül: Das Protein BanLec kann an spezifische Zuckerbausteine auf der Oberfläche von Viren binden und damit das Eindringen des Virus in die Zelle verhindern. Allerdings hat BanLec auch einen großen Nachteil: Es wirkt mitogen, das heißt, es regt die Zellteilung an und kann so unerwünschte Nebenwirkungen verursachen. Nun ist es einem internationalen Forscherteam gelungen, BanLec so zu verändern, dass seine antivirale Eigenschaft erhalten bleibt, es die unerwünschte zellaktivierende Wirkung aber verliert. An dem Projekt maßgeblich beteiligt war Professor Hans-Joachim Gabius, Inhaber des Lehrstuhls für Physiologische Chemie an der Tierärztlichen Fakultät der LMU. Mit den neuen Arbeiten sind die Wissenschaftler bei der Entwicklung eines neuen antiviralen Wirkstoffs einen entscheidenden Schritt vorangekommen. „Außerdem könnte dieser Erfolg die Entwicklung maßgeschneiderter Tools erleichtern, mit denen sich die Mechanismen der Zucker-Protein-Interaktionen besser aufklären lassen, die immer noch wenig verstanden sind“, sagt Gabius.

Zuckerbausteine als Andockstelle

Nicht nur in Genen und Proteinen, sondern auch in zellulären Zuckerverbindungen –sogenannten Glykanen – sind biologische Informationen gespeichert, die an der Steuerung zahlreicher lebenswichtiger Prozesse beteiligt sind, wie etwa an Zellwachstum, Wundheilung und Immunabwehr. Da die einzelnen Zucker-Bausteine sehr variable Verknüpfungsmöglichkeiten zulassen, ergibt sich eine enorme strukturelle Vielfalt, bei der neben der Abfolge der Bausteine oft auch die Struktur entscheidend für den Informationsgehalt ist. Abgelesen wird dieser Zucker-Code von sogenannten Lektinen – speziellen Rezeptormolekülen, die an Glykane binden und die entsprechenden biochemischen Reaktionen vermitteln.

Auch BanLec gehört zu den Lektinen und bindet spezifisch an Strukturen, die den Zucker Mannose enthalten. Solche Zuckerbausteine kommen auch in einem Oberflächenrezeptor des HI-Virus, das die Immunschwächekrankheit Aids auslöst, vor, für das die antivirale Wirkung von BanLec bereits nachgewiesen wurde. Indem BanLec an den Rezeptor andockt, blockiert es das Eindringen des Virus in die Wirtszelle. „Da auch andere Viren Mannose-Bausteine auf ihrer Hülle tragen, etwa Hepatitis C-, Corona- und Influenzaviren, hat BanLec ein hohes Potenzial als Breitbandtherapeutikum gegen Viren“, sagt Gabius. Allerdings stimuliert BanLec eben auch die Vermehrung von T-Zellen des Immunsystems und kann damit unerwünschte Immunreaktionen und Entzündungen auslösen. Im Fall von HIV könnte dies noch dazu die antivirale Wirkung ins Gegenteil verkehren, da sich das HI-Virus in T-Zellen vermehrt.

Fehlende Überbrückung stoppt T-Zellen

Nun erzielte das internationale Wissenschaftlerteam unter der Leitung von Professor David Markovitz (University of Michigan, USA) einen entscheidenden Durchbruch: Indem die Wissenschaftler an einer einzigen Stelle im Molekül die Aminosäure Histidin gegen die Aminosäure Threonin austauschten, schalteten sie die mitogenen Eigenschaften von BanLec aus. Trotzdem ist das veränderte Lektin weiterhin wirksam gegen HIV, Hepatitis C und Grippeviren, wie weitere Versuche in vitro und in vivo bestätigten. „Wir haben nachgewiesen, dass das modifizierte BanLec zwar noch an T-Zellen bindet, die Zellen aber nicht mehr aktiviert, weil es nicht mehr in der Lage ist, die dafür nötigen Oberflächenrezeptoren zu verbrücken“, sagt Gabius. „Mit der neuen Studie haben wir es erstmals geschafft, einzelne Puzzleteile der Lektin-Zucker-Interaktion zu einem Gesamtbild zusammenzulegen. Dies ist nicht nur für die Wirkstoffforschung ein großer Fortschritt, sondern kann auch unser Verständnis des Zucker-Codes einen wichtigen Schritt weiterbringen.“

Das modifizierte BanLec soll nun auf breiter Basis gegen verschiedene Viren getestet werden. Gabius selbst will vor allem weiter untersuchen, welche Rezeptoren durch das natürliche beziehungsweise das modifizierte BanLec gebunden werden, um deren Wirkungsweise besser zu verstehen. Außerdem wollen die Wissenschaftler auch körpereigene Lektine im Hinblick darauf testen, ob sie für verschiedene Anwendungsmöglichkeiten optimiert werden können. „Ein Vorteil solcher maßgeschneiderten Lektine wäre auch, dass die Wahrscheinlichkeit von Resistenzen geringer ist, da Zuckerstrukturen konstanter sind als die Proteinstrukturen von Antikörpern“, sagt Gabius, der sich seit vielen Jahren der Erforschung des Zuckercodes widmet.

Originalveröffentlichung

Michael D. Swanson et al.; "Molecular Engineering of a Therapeutic Lectin by Uncoupling Mitogenicity from Antiviral Activity"; Cell 2015

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