Schützt ein besonderes Immunsystem Fledermäuse vor Ebola?

Fledermäuse kommen häufig in Kontakt mit Infektionskrankheiten, erkranken dafür erstaunlich selten

16.09.2015 - Deutschland

Das Immunsystem von Fledermäusen arbeitet grundlegend anders als das von anderen Säugetieren. Zu diesem Schluss kommen Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Ornithologie in einer Untersuchung an Samtfledermäusen. Die Forschung könnte auch für die Bekämpfung von Viruserkrankungen bedeutsam sein, die von Tieren wie Fledermäusen auf Menschen überspringen können.

MPI f. Ornithologie

Die Große Samtfledermaus stammt aus Mittel- und Südamerika. Die Tiere besitzen ein effektives Immunsystem, das sie vor Infektionen schützt.

Fledermäuse kommen als Überträger und als Reservoir für eine ganze Reihe Infektionskrankheiten infrage. Ihr Immunsystem ist jedoch bislang kaum erforscht. Diese Lücke versuchen Forscher des Max-Planck-Instituts für Ornithologie in Radolfzell, der Universität Konstanz und des Smithsonian Tropical Research Institute in Panama nun zu schließen. Ihren Ergebnissen zufolge funktioniert das Immunsystem der Fledermäuse möglicherweise grundlegend anders als das anderer Säugetiere. Die Immunabwehr der Tiere könnte sogar Hinweise bergen, wie sich bestimmte Infektionskrankheiten abwehren lassen.

Viele der 1300 bekannten Fledermausarten haben Antikörper gegen verschiedene Krankheiten im Blut, selten aber die Erreger selbst. Scheinbar sind die Tiere in der Lage, die Erreger abzuwehren ohne selbst zu erkranken. Doch was macht ihr Immunsystem so besonders?

Die Wissenschaftler haben die Immunreaktion von Großen Samtfledermäusen (Molossus molossus) in Panama untersucht. Die Tiere folgen einem besonderen Tagesablauf: Tagsüber reduzieren sie in ihren Quartieren ihren Energieverbrauch, um Energie zu sparen. Dabei ruhen die Fledermäuse reglos, und die Körpertemperatur sinkt. Erst gegen Sonnenuntergang, wenn die Samtfledermäuse zur Jagd aufbrechen, kommt ihr Organismus in Schwung. Jetzt steigt die Köpertemperatur auf über 40 Grad Celsius, denn während des Flugs leisten die Muskeln Schwerstarbeit.

Die hohe Temperatur könnte jedoch noch einen Nebeneffekt haben: Als eine Art tägliches Fieber könnte es die Immunabwehr gegen Krankheitserreger aktivieren, so die bisherige Vermutung. Umgekehrt könnte die tägliche Drosselung des Stoffwechsels auch im Körper vorhandene Krankheitserreger in ihrer Vermehrung bremsen.

Um diese Hypothese zu testen, verabreichten die Forscher den Fledermäusen ein Lipopolysaccharid (LPS) – eine für sich harmlose Verbindung aus Fett- und Zuckerbestandteilen. Da LPS ebenfalls an der Außenhaut vieler Krankheitserreger vorkommt, vermutet das Immunsystem der Fledermäuse einen bakteriellen Angriff und schaltet in den Abwehrmodus.

Wie die Wissenschaftler zeigten, blieben die täglichen Temperaturschwankungen jedoch auch nach Gabe von LPS unverändert. Der Stoff löste also kein Fieber bei den Fledermäusen aus, wie dies bei anderen Säugetieren der Fall ist. Auch die Zahl der weißen Blutkörperchen im Blut – ein Indikator für die Stärke der Immunabwehr – erhöhte sich nicht. Allerdings verloren die Fledermäuse innerhalb von 24 Stunden deutlich an Gewicht – für die Forscher ein Zeichen, dass die Tiere Energiereserven für die Immunabwehr mobilisieren.

„Dieser Gewichtsverlust tritt auch bei anderen Fledermaus-Arten auf“, erklärt M. Teague O’Mara, der Erstautor der Studie. „Das ist ein Zeichen, dass ihr Immunsystem sich einschaltet.“ Welche zellulären Prozesse genau ablaufen, lässt sich bislang jedoch nicht sagen. „Das Immunsystem der Fledermäuse verhält sich nicht wie das anderer Säugetiere“, sagt Dina Dechmann vom Max-Planck-Institut für Ornithologie. „Wir müssen verstehen, was sie so besonders macht. Daraus könnten wir auch viel über für den Menschen gefährliche Erkrankungen lernen.“

So wäre es denkbar, dass Fledermäuse im Fall von Ebola zu Unrecht am Pranger stehen. In einer Erhebung analysieren Wissenschaftler des Robert Koch-Instituts und des Max-Planck-Instituts systematisch den Kenntnisstand zur Herkunft des Ebola-Virus. Den Forschern zufolge können Flughunde nicht das hauptsächliche oder einzige Reservoir sein. So konnte das Ebola-Virus selbst bislang nicht in Fledermäusen nachgewiesen werden.

Die Beweiskette stützt sich bislang auf Antikörper gegen Ebola, die man im Blut der Flughunde entdeckt hat. Die Tiere kommen also wohl häufig in Kontakt mit dem Virus, sind aber wohl in der Lage, ihn abzuwehren. Ähnlich könnte es bei auch bei anderen Infektionskrankheiten sein, die von Tieren auf den Menschen überspringen können, beispielsweise der Tollwut. Auch in diesem Fall könnte ein effektives Immunsystem die Fledermäuse davor schützen, krank zu werden. „Wenn wir verstehen, wie die Tiere mit den Krankheiten fertig werden, könnten wir dieses Wissen nutzen, um neue Impfungen und Medikamente zu entwickeln“, sagt O’Mara.

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