Genomanalysen decken endosymbiotischen Ursprung komplexen Lebens auf

24.08.2015 - Deutschland

Als Teil eines internationalen Forscherteams haben Biologen der HHU in diesem Jahr bereits zum zweiten Mal in der Fachzeitschrift ‚Nature’ veröffentlicht. Thema des Aufsatzes sind symbiotische Assoziationen zwischen bakteriellen Organismen, die zum Ursprung der Eukaryoten führten.

„Prokaryoten und Eukaryoten leben seit mehr als 1,5 Milliarden Jahre nebeneinander. Gleichzeitig jedoch leben sie effektiv in zwei verschiedenen und genetisch getrennten Welten“, erklärt Prof. Dr. William Martin vom Institut für Molekulare Evolution der Heinrich-Heine-Universität. „Die einzige nennenswerte Genvermischung zwischen Prokaryoten und Eukaryoten fand bei den Ursprüngen der Chloroplasten und Mitochondrien (und somit der Eukaryoten selbst) statt. Kurz gesagt: Endosymbiose schuf den Unterschied zwischen Prokaryoten und Eukaryoten".

Die Untersuchungen der Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Martin zeigen, dass es keine Hinweise auf einen nachweisbaren Einfluss eines andauernden horizontalen Austauschs von Erbinformationen, des sogenannten horizontalen Gentransfers (HGT) auf die Genevolution der Eukaryoten gibt. Bei Eukaryoten traten lediglich zwei Vorfälle von Genzugewinnen auf, welche die eukaryotische Phylogenie und die Verteilung von bakteriellen Genen in Eukaryoten prägen: die Entstehung der Mitochondrien – die Kraftwerke der eukaryotischen Zellen – und die Entstehung der Chloroplasten – die Chlorophyll-beinhaltenden Solarfelder pflanzlicher Zellen. Während Mikroben neue Genfamilien durch HGT erlangen, erlangen Eukaryoten sie durch Gen- und Genomduplikationen.

“Eukaryoten (große Zellen mit DNA in einen Zellkern verpackt) sind Organismen, die eine monotone Zusammensetzung von Kohlenstoff- und Energiestoffwechseln haben, die jedoch in mehreren Millionen verschiedener Formen und Größen verpackt sind. Prokaryoten hingegen sind Organismen, die Millionen verschiedener Arten von Kohlenstoff- und Energiestoffwechseln beinhalten, aber immer in der gleichen, monotonen Form und Größe verpackt”, sagte der Projektleiter. „Wir fragten uns, wie es zu diesen Unterschieden gekommen ist, und was uns Genomsequenzen darüber erzählen können.“

Die Wissenschaftler stellten fest, dass der Genfluss in den beiden Systemen sehr unterschiedlich ist: In Prokaryoten, entwickelten sich Genome durch umfangreiche Gen-Expansionen, ohne Rücksicht auf Artengrenzen. Dies wird als horizontaler Gentransfer (kurz HGT) bezeichnet und ist der Grund für die Vielfalt der prokaryotischen Stoffwechselsysteme. Die große Überraschung der Studie war, dass sich Eukaryoten nicht an dieser Art des kontinuierlichen Genaustauschs beteiligen. Falls sie es doch mal tun sollten, dann deutet es auf ein sehr, sehr wichtiges Ereignis hin, nämlich dem Ursprung der Organellen.

Eukaryoten unterscheiden sich von Prokaryoten in vielerlei Hinsicht. Nichts ist jedoch wichtiger als der Umstand, dass Eukaryoten innerhalb ihrer Zellen Organellen beherbergen, welche Relikte endosymbiotischer Bakterien sind. Alle Eukaryoten besitzen Mitochondrien. In den letzten Jahren haben Wissenschaftler gelernt, dass der Ursprung der Mitochondrien zum Ursprung der eukaryotischen Abstammungslinie selbst führte, ein Ereignis, das vielleicht vor 1.600.000.000 Jahren aufgetreten ist. In der Veröffentlichung in ‚Nature‘ konnte nun gezeigt werden, dass der Ursprung der Mitochondrien in den Eukaryoten einen massiven Einstrom von Genen aus dem Endosymbionten in das Erbgut der Wirtszelle zur Folge hatte.

Später, beim Ursprung der Pflanzen, spielte sich die gleiche Geschichte noch einmal ab. Auch Chloroplasten-Organellen, welche die Pflanzen grün machen und die Photosynthese (die durch Licht angetriebene Umwandlung von Kohlendioxid in Zucker und Energie) betreiben – entstanden durch Endosymbiose. Auch bei der Geburtsstunde des Pflanzenreichs gab es einen weiteren massiven Zustrom von Genen aus dem Chloroplasten-Vorfahren (ein Cyanobakterium) in das Ergbut des eukaryotischen Wirts.

Folglich sind Eukaryoten Chimären, Hybriden verschiedener Arten von Zellen, die durch Endosymbiose und Gentransfer zu einem großen Ganzen fusionierten. Darüber hinaus zeigen die neue Erkenntnisse, dass nach der endosymbiotischen Fusion ein langsamer Prozess des Genverlusts einsetzte. Jedoch haben unterschiedliche evolutionäre Abstammungslinien jeweils andere Gene verloren. Dieser Prozess wird als "differentieller Genverlust" bezeichnet, und er führt zu sehr spärlichen Verteilungen von Genen innerhalb verschiedener Abstammungslinien. "Es war wie beim Schach", sagt Prof. Dr. James McInerney von der National University of Ireland, "die Zellen begannen mit zwei vollständigen Sätzen von Genen, einem aus jedem Symbiosepartner, beide an den jeweiligen Enden des Brettes aufgereiht." Aber im Laufe der Evolution wurden diese beiden Gensätze einer nach dem anderen reduziert, so dass am Ende des Spiels so gut wie nichts übrig blieb. Mit dem, was übrig blieb, versuchen wir nun zu rekonstruieren, wie die einzelnen Spielzüge verliefen.

Wenn nun also Chloroplasten und Mitochondrien Endosymbionten sind, was war der Wirt? „Ein Archaeum“, sagt Dr. Giddy Landan, leitender Bioinformatiker an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, "wir wissen nur nicht welches." Die Studie nutzte einen statistischen Ansatz zur Aufdeckung der Ursprünge eukaryotischer Gene. Die neue Studie hebt sich von früheren Arbeiten ab, indem sie nicht nur einzelne Gen-Stammbäume betrachtet, sondern auch ganze Gen-Verteilungen.

Die Forscher führten eine gewaltige Menge an Berechnungen durch, um die frühe Geschichte der Eukaryoten und Pflanzenwelt zu rekonstruieren. "Es war eine immense Rechenleistung" sagen die beiden führenden Autoren Chuan Ku und Dr. Shijulal Nelson-Sathi unisono. „Der Hochleistungs-Rechencluster „HILBERT“ der HHU Düsseldorf mit mehreren Terabyte Arbeitsspeicher hat uns dabei sehr geholfen.“

Die zweite wichtige Erkenntnis erklärt Prof. Martin: „Prokaryoten tauschen Gene mit einer sehr hohen Rate untereinander aus – manchmal innerhalb der gleichen Art, manchmal mit einer anderen Art. Es passiert andauernd und es scheint wenig, wenn überhaupt, Partnerwahl zu geben. Aber für Eukaryoten ergibt sich ein völlig anderes Bild. Eukaryoten paaren sich nur mit Individuen der gelichen Art. Das Mischen von prokaryotischen und eukaryotischen Genen passiert jedoch viel seltener.

Für künftige Forschung bleibt die Frage, warum Eukaryoten sich von dieser Art des Genaustauschs gelöst haben, wo hingegen Prokaryoten ihn ausgiebig vollziehen? Zur Erforschung solcher wichtigen Fragen der frühen Zellevolution hat Prof. Martin in diesem Jahr bereits seinen zweiten ERC Advanced Grant erhalten. Mit dieser Förderung will er weiterhin die Rolle der Symbiose bei der Entstehung der Eukaryoten erforschen.

Originalveröffentlichung

Ku et al. 2015: Endosymbiotic origin and differential loss of eukaryotic genes; Nature

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