Molekulare Partnersuche: Welcher Ligand passt zu welchem Rezeptor?

21.07.2015 - Deutschland

Medikamente wie Antihistaminika oder Betablocker, die in unserem Körper wirken, binden an G-Protein-gekoppelte Rezeptoren. Diese Moleküle leiten dann ein Signal von außen ins Zellinnere und lösen so eine Reaktion in der Zelle aus. Menschen verfügen über mehrere hundert verschiedene solcher Moleküle, von denen viele unerlässlich sind. Dr. Gáspár Jékely, unabhängiger Arbeitsgruppenleiter am Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie in Tübingen, berichtet in Cell Reports über eine neue Strategie zur besonders schnellen Identifizierung von bisher unbekannten Rezeptoren. Damit kann auch die evolutionäre Vergangenheit dieser weitverbreiteten Rezeptorfamilie aufgeklärt werden.

Tom Pingel

Mariner Borstenwurm Platynereis dumerilii

Da es einige hundert G-Protein-gekoppelte Rezeptoren, so genannte GPCRs, und viele tausend potentielle Liganden gibt, ist es sehr schwierig und zeitaufwändig, die richtigen Kombinationen zwischen Rezeptoren und Liganden zu finden. In dieser Studie wurden 87 GPCRs aus Platynereis und 126 verschiedene sogenannte Neuropeptide als potentielle Liganden untersucht. Durch diese große Zahl kamen über zehntausend Kombinationsmöglichkeiten zustande, die es zu testen galt. “Wir mussten uns eine gute Strategie überlegen, um diese Aufgabe in circa einem Jahr bewältigen zu können, und nicht etwa fünf Jahre oder noch länger zu brauchen”, kommentiert Philipp Bauknecht, der Promotionsstudent, der die Experimente durchführte. Ähnlich wie beim Speed-dating sollte jeder Rezeptor innerhalb einer kurzen Zeit einmal auf jedes Neuropeptid treffen. Dies wurde dadurch erreicht, dass jeder GPCR zusammen mit einer komplexen Neuropeptidmischung getestet wurde. Wenn es einen “Treffer” zwischen dem GPCR und einem der Liganden aus der Mischung gab, wurde dies durch grünes Licht sichtbar, das von einem fluoreszierenden Protein ausgestrahlt wurde.

Die Wissenschaftler forschten danach nur an denjenigen GPCRs weiter, die zuvor aktiviert worden waren, und testeten nun Kombinationen von Mischungen, die nur noch einen Teil der Neuropeptide enthielten. Durch die Kombination der Ergebnisse aus unterschiedlichen Mischungen konnten sie die richtigen Liganden für die GPCRs bestimmen.

Diejenigen GPCRs, für die ein Ligand identifiziert worden war, wurden dann für eine evolutionäre Analyse verwendet. Die Wissenschaftler fanden verwandte GPCRs in Tieren wie Muscheln, Schnecken und Insekten, aber auch Ratten, Mäusen und Menschen. Für einige der identifizierten GPCR-Familien war zuvor noch kein aktivierender Ligand bekannt gewesen. Das Team konnte zeigen, dass einige der GPCR-Liganden-Paare über Säugetiere, Fische und Insekten hinweg bis zu Würmern evolutionär konserviert sind. Sie kamen also bereits im letzten gemeinsamen Vorfahren des Menschen und des Borstenwurms Platynereis vor, einem Tier, das vor etwa 550 Millionen Jahren lebte.

Ein besonders interessanter Fund war ein Ligand für den Thyrotropin-releasing-Hormon-Rezeptor der wirbellosen Tiere. Wie der Name andeutet, ist der Ligand dieses Rezeptors das Peptid Thyrotropin-releasing-Hormon (TRH). Dieses Peptid kommt in Wirbeltieren vor und hilft dort, den Stoffwechsel zu steuern. Bisher war angenommen worden, dass bei Wirbellosen dieses Peptid fehlt, obwohl der Rezeptor vorhanden ist. Durch diese Studie konnte die Forschergruppe einen Liganden für den TRH-Rezeptor der Wirbellosen identifizieren: ein kurzes Neuropeptid, das tatsächlich mit dem TRH der Wirbeltiere verwandt zu sein scheint. Es war bisher nicht erkannt worden, weil es so kurz ist und die wenigen Aminosäuren, aus denen es aufgebaut ist, sich im Lauf der Evolution geändert haben. “Ohne das Rezeptor-Liganden-Paar hätten wir dieses Rätsel nicht lösen können”, erläutert Dr. Gáspár Jékely. Der Rezeptor ist viel länger als das Peptid, und konserviert genug, um die Verwandtschaft des Wirbeltier-Rezeptors mit dem Rezeptor der Wirbellosen deutlich werden zu lassen.

Diese neue Zusammenstellung von GPCR-Liganden-Paaren aus dem Borstenwurm Platynereis wird anderen Wissenschaftlern aus dem Gebiet der Neurowissenschaften helfen, ähnliche Paare in anderen Tierarten leichter zu identifizieren. Außerdem lässt sich die Strategie, komplexe Peptidmischungen zu verwenden, leicht auf andere Spezies übertragen. Ähnliche Studien an anderen Tierarten könnten das Bild, das wir derzeit von der Evolution der GPCRs haben, noch erweitern.

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