Darmbakterien sorgen für gesundes Gehirn
Hat die Darmflora Einfluss auf Alzheimer, Parkinson und Multiple Sklerose?
Die Darmflora beeinflusst lebenslang die Immunabwehr des Gehirns und damit möglicherweise auch den Verlauf von Hirnerkrankungen wie Alzheimer und Multipler Sklerose. Dies haben Forscher des Universitätsklinikums Freiburg erstmals an Mäusen festgestellt. Bakterielle Abbauprodukte steuern Reifung und Funktion von Fresszellen des Gehirns, die bei Mäusen ohne Darmflora verkümmert sind. Nach Etablierung einer Darmflora waren die Zellen wieder gesünder. Daraus ergeben sich Hinweise für einen Einfluss des Darms auf mögliche Entstehung neurodegenerativer Erkrankungen, sondern auch auf die Bedeutung einer ausgewogenen Ernährung. Die Studie erscheint in der Zeitschrift „Nature Neuroscience“.

Links: gesunde Mikroglia eines Tieres mit Darmflora; Mitte: ohne Darmflora sind die Mikroglia unreif; Rechts: Tiere ohne Darmflora, die ein bakterielles Abbauprodukt fressen, haben gesunde Mikroglia
Universitätsklinikum Freiburg
Mikroglia sind die sogenannten Fresszellen des Gehirns, auch Gehirn-Makrophagen genannt. Sie beseitigen eingedrungene Keime und abgestorbene Nervenzellen und sind an der lebenslangen Formbarkeit des Gehirns beteiligt. Fehlgesteuerte Mikroglia-Zellen spielen bei mehreren Hirnerkrankungen eine Rolle. Wie die Reifung und Aktivierung dieser Zellen gesteuert wird, war bislang unklar.
Ohne Darmbakterien verkümmern die Immunzellen des Gehirns
Prof. Dr. Marco Prinz, Ärztlicher Direktor des Instituts für Neuropathologie am Universitätsklinikum Freiburg und assoziiertes Mitglied des BIOSS Centre for Biological Signalling Studies Freiburg, leitete die Forschungsgruppe mit Mitgliedern aus Freiburg, Rehovot (Israel), München, Mainz, Köln, und Bern (Schweiz). Gemeinsam mit den Erstautoren Dr. Daniel Erny und Anna Lena Hrabě de Angelis konnte er erstmals im Tierversuch zeigen, dass ein intaktes Immunsystem des Gehirns von einer gesunden bakteriellen Darmflora abhängt. Dafür untersuchten sie Tiere, die in einer komplett sterilen Umgebung aufgezogen und gehalten wurden. Diese besaßen verkümmerte und unreife Mikroglia, die auf Entzündungsreize im Hirn kaum reagierten. „Unsere Ergebnisse weisen auf einen ständigen Informationsfluss zwischen Darmbakterien und Hirnmakrophagen hin“, sagt Prof. Prinz.
Auch Tiere, deren Darmbakterien durch eine vierwöchige Antibiotika-Therapie abgetötet worden waren, wiesen eine gestörte Immunantwort auf. Im Kontakt mit gesunden Tieren etablierte sich bei den zuvor steril gehaltenen Tieren schnell eine Darmflora. Dies hatte einen positiven Einfluss auf die Immunabwehr. Dabei galt: „Je größer die Vielfalt der Darmbakterien war, desto besser entwickelten sich auch die Mikroglia“, fasst der Neuropathologe zusammen.
Zersetzte Ballaststoffe steuern Immunreaktion im Gehirn
Die Forscher zeigten, dass kurzkettige Fettsäuren als Botenstoff zwischen Darmflora und Mikroglia dienen. Diese werden bei der bakteriellen Verwertung von Ballaststoffen, Milchprodukten und weiteren Nahrungsmitteln produziert. Über das Blut könnten sie ins Gehirn gelangen und dort Mikrogliazellen helfen, Entzündungsreaktionen schnell und effizient zu bekämpfen. „Unsere Ergebnisse weisen darauf hin, wie wichtig für die geistige Gesundheit eine ausgewogene Ernährung ist, die zur bakteriellen Bildung von kurzkettigen Fettsäuren beiträgt“, sagt Prof. Prinz.
Hat die Darmflora auch Einfluss auf Alzheimer, Parkinson und Multiple Sklerose?
Die Studie dürfte auch für den Menschen eine hohe Relevanz haben. „Die Ergebnisse passen sehr gut zu früheren klinischen Studien und zu Untersuchungen anderer Forschungsgruppen“, so Prof. Prinz. So werden Autoimmunerkrankungen des Darms wie Morbus Crohn mit einem Mangel an kurzkettigen Fettsäuren in Verbindung gebracht. Hier wird seit einiger Zeit die Behandlung durch eine so genannte Stuhltransplantation geprüft, bei der die Darmflora von einem auf einen anderen Menschen übertragen wird. Wie groß der Einfluss der Darmflora auf Funktion und Entwicklung des Gehirns beim Menschen genau ist, müssen zukünftige Studien prüfen.
Meistgelesene News
Organisationen
Weitere News aus dem Ressort Wissenschaft

Holen Sie sich die Life-Science-Branche in Ihren Posteingang
Mit dem Absenden des Formulars willigen Sie ein, dass Ihnen die LUMITOS AG den oder die oben ausgewählten Newsletter per E-Mail zusendet. Ihre Daten werden nicht an Dritte weitergegeben. Die Speicherung und Verarbeitung Ihrer Daten durch die LUMITOS AG erfolgt auf Basis unserer Datenschutzerklärung. LUMITOS darf Sie zum Zwecke der Werbung oder der Markt- und Meinungsforschung per E-Mail kontaktieren. Ihre Einwilligung können Sie jederzeit ohne Angabe von Gründen gegenüber der LUMITOS AG, Ernst-Augustin-Str. 2, 12489 Berlin oder per E-Mail unter widerruf@lumitos.com mit Wirkung für die Zukunft widerrufen. Zudem ist in jeder E-Mail ein Link zur Abbestellung des entsprechenden Newsletters enthalten.
Meistgelesene News
Weitere News von unseren anderen Portalen
Zuletzt betrachtete Inhalte

Kälte gegen Alterung und neurodegenerative Erkrankungen? - Kälte verhindert die typische Verklumpung von Proteinen bei zwei alterstypischen neurodegenerativen Erkrankungen
Lentiviren

Sartorius übernimmt Mehrheit an Reagenzienhersteller CellGenix - Erweiterung des Portfolios um Zellkulturkomponenten wie Wachstumsfaktoren, Zytokine und Medien

Neues Testverfahren verrät Potenzial möglicher Wirkstoffe gegen Alzheimer

Aptar Radolfzell GmbH - Radolfzell am Bodensee, Deutschland
